22.06.2022

Multiskalenmodellierung mit weicher Materie

Sonderforschungsbereich zur Simulation weicher Materie erhält weitere Förderung.

Die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG) hat dem Sonder­forschungs­bereich SFB/Transregio 146 zur Simulation von weicher Materie für weitere vier Jahre grünes Licht gegeben. Unter Federführung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und mit Beteiligung der TU Darmstadt und des Max-Planck-Instituts für Polymer­forschung arbeiten die Forscher aus der Physik, der Chemie, der Mathematik und der Informatik in diesem SFB bereits seit acht Jahren zusammen. Sie werden in der nunmehr letzten Förderperiode bis 2026 ihre grundlegende Methode zur computer­gestützten Simulation weicher Materie weiterentwickeln und neue Aspekte untersuchen. Die DFG stellt für die Arbeiten elf Millionen Euro zur Verfügung. Seit seiner Gründung im Jahr 2014 hat sich der SFB/Transregio 146 „Multiskalen-Simulations­methoden für Systeme der weichen Materie“ mit der Kombination von Grundlagen­forschung und heraus­ragender Entwicklung von Algorithmen international hohe Anerkennung erworben.

 

Abb.: Die Ausbildung komplexer Netzstrukturen bei der Phasen­trennung von...
Abb.: Die Ausbildung komplexer Netzstrukturen bei der Phasen­trennung von Makro­molekülen in Lösung kann man mit Multiskalen-Methoden nach­vollziehen und verstehen. (Bild: B. Dünweg, MPI-P / M. Lukacova, JGU)

Multiskalenmodellierung ist ein zentrales Thema in der theoretischen Physik und in den Materialwissenschaften. „Wir untersuchen damit eine wichtige Klasse von Materialien, nämlich die weiche Materie, auf verschiedenen Größen- und Zeitskalen“, erklärt Friederike Schmid, die Sprecherin des SFB/TRR 146 vom Institut für Physik der JGU. Weiche Materie ist praktisch überall zu finden. Es gehören so unterschiedliche Materialien dazu wie Kunststoffe, Gummi und Papier, aber auch biologische Membranen und Eiweiße sowie komplexe Flüssigkeiten wie Öl, Farbe und Flüssigkristalle. Die Substanzen liegen nicht unbedingt in fester oder flüssiger Form vor. Eine charakteristische Eigenschaft ist allerdings, dass sie bei Raum­temperatur stark auf äußere Reize reagieren. Winzige Änderungen der mikro­skopischen Wechsel­wirkungen können große Auswirkungen auf ihre makro­skopischen Eigenschaften haben. Die Vielseitigkeit und das Reaktions­vermögen weicher Materialien machen sie so für zahlreiche Anwendungen interessant.

„Wenn wir das Verhalten dieser Materialien besser verstehen wollen, ist dies nur mithilfe von Multiskalen­beschreibungen möglich, also indem man viele verschiedene Skalen parallel betrachtet“, so Friederike Schmid. Die Eigenschaften vieler Materialien lassen sich nicht verstehen, indem man ihre Struktur und Dynamik auf nur einer Längen- und Zeitskala untersucht. Stattdessen sind diese Eigenschaften oft das Ergebnis eines Zusammenspiels von Prozessen, die auf einer Vielzahl von Skalen ablaufen und häufig Größen­ordnungen von Sub-Ångström beziehungsweise Pikosekunden bis zu mehreren Mikrometern beziehungsweise Sekunden, Minuten bis hin zu Jahren umfassen. Beispielsweise sind atomare Ereignisse letztlich dafür verantwortlich, dass Materialien nach Jahren irgendwann ermüden. Weiche Materie ist daher ein ideales Testfeld für die Entwicklung neuartiger Multiskalen-Algorithmen und für die Analyse ihrer Eigenschaften aus mathematischer Sicht.

„Das Institut für Mathematik hat hier wichtige Beiträge für unser Grundlagen­verständnis geleistet, während die Informatik mit Methoden des maschinellen Lernens die Entwicklung von Computer­simulationen unterstützt“, sagt Schmid zu der interdisziplinären Zusammenarbeit von Forschern aus der Physik, Chemie, Mathematik und Informatik. Ein erklärtes Ziel des SFB/TRR 146 war es, diese Gemeinschaften zusammenzubringen und Methoden zu entwickeln, die das Beste aus den verschiedenen Welten vereinen und einen klar definierten physikalischen und mathematischen Hintergrund haben. Dazu tragen Wissenschaftler von drei Institutionen im Rhein-Main-Gebiet – Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, TU Darmstadt und Max-Planck-Instituts für Polymer­forschung in Mainz – mit ihrer sich ergänzenden Expertise bei.

In der dritten und letzten Förderperiode werden die Beteiligten drei Ziele verfolgen: Erstens werden sie ihre grundlegenden Methoden weiterentwickeln, wobei nun besonders Nicht-Gleichgewichtssysteme und inhomogene Systeme in den Blick genommen werden. Zweitens sollen bisherige Ergebnisse gefestigt werden, indem die neuen Algorithmen an einer breiteren Klasse von Modell­systemen getestet werden, und drittens wollen die Forscher die neuen Methoden auf eine Reihe ausgewählter anspruchsvoller Probleme aus der realen Welt anwenden. „Wir haben schon viel erreicht“, so Friederike Schmid, „aber wir haben noch einiges vor.“ Das langfristige Ziel ist es, die Multi­skalen­techniken routinemäßig einzusetzen, um reale Anwendungen von weichen Materialien zu simulieren. „Wir möchten Prognosen und Vorschläge machen können, wie man Material­eigenschaften konkret verbessert. Im Falle von biologischen Substanzen geht es uns darum, die Prozesse zu entschlüsseln und genau zu verstehen“, fasst die Sprecherin des SFB/TRR zusammen.

JGU / DE

 

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