13.04.2023 • Optik

Mobiler 3D-Scanner misst Objekte im Handumdrehen

Für die Wartung von Flugzeug-Triebwerken entwickelter Scanner bietet Anwendungs-Potenziale in vielen Bereichen.

Ob bei einer virtuellen Tour durch das Museum oder bei der digitalen Erfassung von Bauteilen und Anlagen in der Industrie: Detail­getreue 3D-Modelle helfen dabei, Objekte und Gegenstände aus der realen Welt in die digitale Sphäre zu übersetzen. Sie ermöglichen eine hohe Detail­genauigkeit, wodurch selbst kleinste Schrauben an technischen Anlagen erkannt werden können. Diesen Vorteil hatte auch die MTU Maintenance in Hannover, Anbieter von Instand­haltungs­leistungen für Luftfahrt­antriebe, vor Augen. Für die Dokumentation des Eingangs- und Ausgangs­zustands von Triebwerken wünschten sich MTU eine unkompli­zierte und anwender­freund­liche Lösung zur voll­ständigen drei­dimen­sionalen Digitali­sierung. Bisher verwendete das Unternehmen klassische Kompakt­kameras, mit denen lediglich Fotos von typischen Defekt-Stellen angefertigt werden konnten und die Triebwerke nur unvoll­ständig erfasst wurden.

Abb.: Mobil und hand­lich: Der mobile 3D-Scanner goSCOUT3D ge­staltet die...
Abb.: Mobil und hand­lich: Der mobile 3D-Scanner goSCOUT3D ge­staltet die 3D-Ver­mes­sung künf­tig fle­xib­ler und ein­facher. (Bild: Fh.-IOF)

Mit diesen Anforderungen wandte sich MTU an das Fraunhofer Institut für angewandte Optik und Feinmechanik, das einen neuartigen 3D-Scanner entwickelt hat. Dieser ermöglicht künftig eine flexible, einfache und zeit­sparende drei­dimen­sionale Messung der Triebwerke. Bequem von Hand lässt sich goSCOUT3D um das zu messende Triebwerk führen und erstellt automatisch ein 3D-Modell, welches hoch­auf­gelöste Form-, Farb- und Textur­informa­tionen enthält. „Der Scanner goSCOUT3D ermöglicht einen voll automa­ti­sierten Ablauf bei der Messung: von der Bildaufnahme bis hin zur Generierung des kompletten Farb- beziehungs­weise texturierten 3D-Modells“, erklärt Stefan Heist vom Fraunhofer-IOF.

Der neue Scanner ähnelt einer über­dimen­sionalen Taschenlampe – denn neben einer hochauf­lösenden Farbkamera sowie einer inertialen Messeinheit und einem Display mit Touchscreen ist ein Ringlicht das visuell auffälligste Merkmal des neuen Sensors. Dieses dient der Ausleuchtung der Messszene, um die für den hand­ge­haltenen Betrieb erforder­lichen kurzen Belichtungs­zeiten zu ermöglichen.

„Dadurch können weit über eintausend Bilder aufgenommen und verarbeitet werden. Bei einer standard­mäßigen Mess­ent­fernung von einem Meter und einem Bildfeld von etwa einem Quadratmeter erreichen wir somit eine außer­ordentlich hohe Aufnahme­geschwin­digkeit von bis zu sechs Quadratmetern Objekt­oberfläche pro Minute“, erläutert Marc Preißler vom Fraunhofer-IOF. Die integrierte 20-Megapixel-Farbkamera ermöglicht eine besonders hohe räumliche Auflösung von weniger als 0,25 Millimetern. Das Gewicht des Sensorkopfes liegt bei etwa 1,3 kg. Die Versorgung mit Strom erfolgt über Akkus, die einen ununter­brochenen Betrieb über mehrere Stunden ermöglichen. Auf diese Weise wird der Handscanner besonders mobil und flexibel einsetzbar.

Doch wie erzeugt goSCOUT3D die gewünschten 3D-Modelle? Zu diesem Zweck nutzt der Sensor das Prinzip der Fotogrammetrie. „Bei diesem Mess­verfahren werden hochauf­lösende zwei­dimen­sionale Farbbilder von der zu messenden Szene aus vielen verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen“, erklärt Heist. Das bedeutet: Von Hand wird der Sensor einmal um das Objekt geführt. „Anschließend werden in der Fotostrecke markante Objektpunkte identi­fi­ziert. Tauchen diese in mehreren Bildern auf, können wir über das Prinzip der Trian­gu­la­tion die zugehörigen 3D-Punkte und schluss­endlich die 3D-Daten der gesamten Szene berechnen.“

Eine besondere Heraus­forderung für die Forscher war die zügige Verarbeitung der 2D-Bilder. „Für die 3D-Erfassung wird eine Vielzahl hochauf­gelöster Einzel­auf­nahmen in guter Bild­qualität benötigt. Die entsprechende Verarbeitung dieser Einzelbilder ist typischer­weise sehr zeit­intensiv“, erläutert Heist das Ausgangs­problem. Den Forschern ist es jedoch gelungen, das Prinzip der Foto­grammetrie um die Positions- und Orientierungs­daten einer inertialen Messeinheit zu ergänzen.

Diese erlauben somit die grobe Bestimmung der Sensor­bewegung und dadurch die Auswahl von Bildern mit über­lappenden Bild­inhalten. „Steckt man dieses Vorwissen in die foto­gram­metrische Auswertung, kann die Rechenzeit speziell bei komplexen Messobjekten um mehr als die Hälfte reduziert werden“, fasst Preißler zusammen. Bereits innerhalb weniger Minuten kann auf diese Weise bereits ein 3D-Modell erstellt werden.

Mit goSCOUT3D haben die Forscher einen Sensor entwickelt, der nicht nur Anwendungs­potenziale in der Luftfahrt­industrie bietet, sondern weit darüber hinaus. Durch die Visuali­sierung und Analyse von Objekt­eigen­schaften bietet sich der Scanner für den Einsatz in der Medizin, in der Forschung und Wissenschaft oder auch für die Bereit­stellung von Daten für Augmented-Reality-Anwendungen an. „Wir geben Nutzerinnen und Nutzern mit goSCOUT3D – im wahrsten Sinne des Wortes – ein flexibles 3D-Sensor­system an die Hand, das neue Möglichkeiten in der Digita­li­sierung und Dokumen­tation von Objekten bietet“, resümiert Heist.

Fh.-IOF / RK

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