25.06.2019 • Energie

Mit Sonnenwärme kühlen

Adsorptionswärmepumpen bilden die Basis für eine effiziente Solarkühlung.

Abwärme tritt an vielen Stellen auf: Der Laptop wird warm, noch mehr aber der Serverpark des Internetproviders. Wir duschen heiß und lassen das warme Wasser durch den Abfluss laufen, im Waschsalon um die Ecke geschieht genau das gleiche. Schließlich gehen wir vor die Tür und starten unser Auto: Dessen Motor verwandelt mehr als drei Viertel der Energie, die im Benzin steckt, in Abwärme und nur den kleineren Teil in den gewünschten Vortrieb. Bis jetzt ging all diese Wärme­energie verloren. Doch das soll sich ändern. Ein Team aus euro­päischen Forschern beginnt nun damit, Abwärme einzusammeln.

Abb.: Diese solar­thermische Anlage im spanischen Sant Vicenç de Castellet...
Abb.: Diese solar­thermische Anlage im spanischen Sant Vicenç de Castellet liefert die Wärme für den solaren Kühl­prozess. (Bild: HyCool)

Für Matthias Koebel begann das Interesse am Wärmesammeln mit dem Schweizer Forschungs­projekt THRIVE – Thermally driven adsorption heat pumps for substitution of electricity and fossil fuels. Ange­stoßen hatte das Projekt IBM Research Zurich. Das Forschungs­labor in Rüschlikon stelle sich die einfache Frage: Lässt sich mit der gewaltigen Abwärme eines großen Rechen­zentrums etwas Sinnvolles anfangen? Reicht die Energie vielleicht, um genau dieses Rechenzentrum aktiv zu kühlen? Als Partner holten die IBM-Forscher eine Reihe von Schweizer Material- und System­spezialisten an Bord: Die ETH Zürich, die Hochschule für Technik Rapperswil, die Empa und weitere. Ziel war es, eine Adsorptions­wärmepumpe zu entwickeln, die Abwärme in Kühlleistung verwandelt.

Adsorptions­wärmepumpen nutzen Hitze, um Kühlleistung zu erzeugen. In der Kühlzone der Anlage verdunstet Wasser und sorgt für Kühlung. Der Wasserdampf wird in der warmen Zone der Anlage von einem Absorber­material aufgefangen. Wenn das Absorbermaterial gesättigt ist, wird es durch Hitze von aussen wieder getrocknet und steht für einen weiteren Kühlzyklus zur Verfügung. Ende 2018 endete das Forschungs­projekt erfolgreich. Im Rahmen von Thrive hatten die HSR-Forscher zunächst eine Forschungs­wärmepumpe mit einer Leistung von einem Kilowatt und später einen Prototyp einer Adsorptions­wärmepumpe mit zehnmal größerer Leistung erstellt. Diese Leistung würde ausreichen, um ein Ein­familienhaus in Südeuropa im Sommer zu klimatisieren.

Adsorptions­wärmepumpen sind jedoch nicht nur für die Kühlung einzelner Häuser oder Serverparks nützlich, sondern könnten auch die Effizienz von Fernwärme­netzen verbessern. Würde man sie künftig für die stationäre Wärme­versorgung einsetzen, ergäbe das zum Beispiel in der Schweiz eine Energie­ersparnis von vier bis neun Prozent, im Bereich der Industrieabwärme noch weitere drei bis sechs Prozent, kalkulierten Forscher des Paul-Scherrer-Instituts PSI. Koebels Team gelang es, ein neues Absorptions­material zu entwickeln. Die Kühlleistung des neuen Mittels ist mehr als dreimal größer als die des Ausgangsmaterials zu Beginn des Projekts. Nun möchte der Forscher auf diesem neu entwickelten Material aufbauen. „Wir haben einen porösen Kohlenstoff­schwamm entwickelt, der dank seiner Mikroporen extrem viel Wasser aufnehmen kann und sich daher sehr gut für Adsorptionswärmepumpen eignet“, erläutert Koebel. Das Material wird mittels Pyrolyse aus einem Kunstharz hergestellt. „Mit dieser Methode sind wir in der Lage, das Material auf den gewünschten Einsatz­zweck maßzu­schneidern.“

Dadurch lassen sich Adsorptions­wärmepumpen künftig an verschiedene Aufgaben anpassen. So liefert etwa eine Holzpellet­heizung höhere Temperaturen als der Abwärmestrom einer Großküche. Um die vorhandene Wärme möglichst effizient in Kühlleistung umzuwandeln, muss das Absorbermaterial der Wärmepumpe spezifisch auf die Wärmequelle und das erwünschte Kälteniveau abgestimmt werden. „Wir definieren das passende Material zuerst anhand von Materialparametern und stellen es dann her“, so Koebel. Mit dieser Expertise ist das Empa-Team nun am EU-Forschungs­projekt „HyCool“ beteiligt, das im Mai 2018 startete und drei Jahre lang laufen wird. Das Ziel: Der Aromahersteller Givaudan und der spanische Lebensmittelproduzent Bo de Debò möchten den Kühlbedarf ihrer Produktions­anlagen so weit als möglich mit Hilfe von Abwärme und Solarenergie decken. Dazu wird die Adsorptions­wärmepumpe mit einer herkömmlichen Wärmepumpe kombiniert. Es entsteht eine Hybrid-Wärmepumpe, die zwar zusätzlich Strom verbraucht, dafür aber extrem flexibel ist.

Die notwendige Wärme für die Kühlung soll auf dem Dach einer spanischen Fabrik bei Barcelona solar erzeugt werden: Ein 400 Quadratmeter großes Feld von Spiegeln bündelt Sonnenlicht auf ein Rohr. In diesem Rohr wird Wasserdampf erzeugt, der über die Adsorptions­wärmepumpe die nötige Kühl­leistung erbringt. Auf dem gleichen Weg erhält die Fabrik Prozesswärme von bis zu 180 Grad Celsius und Wärme von bis zu 65 Grad Celsius für die Heißwasser­versorgung und die Heizung der Fabrikhallen im Winter. 

Empa / JOL

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