03.01.2023 • GeophysikMesstechnik

Milliardstel Abweichungen der Schwerkraft messen

Neues Supraleitgravimeter im Observatorium Todenfeld der Uni Bonn installiert.

Forscher der Uni Bonn haben im Observatorium Todenfeld wenige Kilometer von der Stadt Rheinbach entfernt ein Supraleitgravimeter installiert. Mit dem extrem empfindlichen und dennoch transportablen Gerät lassen sich winzige Änderungen im Milliardstel-Bereich der Schwerkraft messen. Es ist eines von nur vier vergleichbaren Instrumenten in Deutschland und das einzige, das von einer Universität betrieben wird. Mit dem Supraleitgravimeter lassen sich unter anderem minimale Änderungen von Grundwasserständen, die Verformung der Erde aufgrund der Anziehungskräfte von Mond und Sonne, Bewegungen des Erdkerns sowie Erdbeben messen.

Abb.: Basem Elsaka von der Uni Bonn kontrolliert die mechanische Isolierung des...
Abb.: Basem Elsaka von der Uni Bonn kontrolliert die mechanische Isolierung des Kühlkopfs des Supraleitgravimeters. (Bild: B. Gutknecht / U. Bonn)

Herzstück des Gravimeters ist eine Kugel, deren Durchmesser 2,5 Zentimeter misst und die nur fünf Gramm wiegt. Sie besteht aus dem Übergangsmetall Niob. Dieses Metall wird nahe dem absoluten Nullpunkt zum Supraleiter. In diesem Zustand kann die Kugel in einem äußeren, nestartigen Magnetfeld ohne nennenswerte Verluste frei schweben. Sie ändert dann ihre relative Position nur noch aufgrund von Schwankungen der gravitativen Anziehung oder wenn sich der Untergrund bewegt. Die schwebende Kugel reagiert auf Gezeiteneffekte durch die Anziehung von Mond und Sonne, auf Deformationen der festen Erde oder Schwingungen des Erdkerns, auf Änderungen des Wassergehalts im Untergrund oder auf seismische Ereignisse wie Erdbeben.

Das Instrument mit der Bezeichnung iGrav-043 wurde von seinem bisherigen Einsatzort, einem Labor in einem stillgelegten Luxemburger Bergwerk, nach Rheinbach-Todenfeld transportiert. Das Forschungsteam montierte das Messgerät auf einen Betonsockel und kühlte es auf minus 269 Grad Celsius ab. Hierfür musste es mit einem Kompressor zur Kühlung des Sensors und einer GNSS-Antenne zur exakten Zeitsynchronisation verbunden werden. Während der Aufbau selbst nur einige Tage dauerte, erwies sich die anschließende Einrichtung als langwieriger Prozess. Das Team kühlte das Instrument in einem mehrstufigen Prozess mit gasförmigem und flüssigem Helium ab.

Dann schalteten die Forscher nacheinander mehrere im Gravimeter verbaute Spulen ein, um ein stabiles Magnetfeld zu erzeugen, damit die Niobkugel frei schweben kann. Jetzt überwacht iGrav kontinuierlich die Variationen der Beschleunigung des Schwerefeldes. „Wir sehen bereits sehr deutlich die Gezeiteneffekte von Mond und Sonne“, sagt Basem Elsaka von der Uni Bonn.

Unter idealen Bedingungen ist iGrav theoretisch in der Lage, Massenveränderungen mit einer Zeitauflösung von etwa einer Minute zu erkennen, die einer Wasserhöhenänderung von nur einem Millimeter entsprechen. Diese Messgröße ist wichtig, um Veränderungen des Gesamtwasserspeichers im Untergrund zu erkennen. In den nächsten Wochen wird das Team das System weiter beobachten, die Drift- und Rauschbedingungen analysieren, den Einfluss der Gezeiten durch Mond und Sonne herausrechnen sowie eine permanente Internetverbindung installieren. In Zukunft wird es möglich sein, iGrav auch an anderen Orten im Rahmen von Forschungskampagnen einzusetzen.

U. Bonn / RK

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