08.06.2022

Magnetfallen für Seltenerd-Ionen

Praktische Trenntechnologie für das Recycling von Elektronikschrott.

Damit die Energiewende gelingt, werden große Mengen an Rohstoffen benötigt. Dazu gehören viele seltene Erden, bei denen Versorgungs­engpässe drohen und für die einfache Ersatz­möglich­keiten fehlen. Da es in Europa derzeit keinen nennens­werten Bergbau von seltenen Erden gibt, ist das Recycling von Elektronik­schrott eine wichtige Quelle. Die Kehrseite der Medaille: Bei der Anreicherung des wertvollen Materials werden umwelt­ge­fährdende Chemikalien eingesetzt. Forscher am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf könnten eine Lösung für dieses Problem gefunden haben: Sie nutzen einfache Magnete, um Seltenerd-Ionen aus Lösungen einzufangen.

Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung von Selten­erd-Metall­ionen über...
Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung von Selten­erd-Metall­ionen über einer An­ord­nung von Mag­neten mit ent­gegen­ge­setzten Magne­ti­sie­rungen. Diese An­ord­nung ver­stärkt die Kraft des mag­ne­tischen Gra­di­enten und ist da­her zur Tren­nung von sel­tenen Erden ge­eig­net. (Bild: Juniks / HZDR)

Magnetfelder werden routine­mäßig eingesetzt, um Partikel aufgrund ihrer unter­schied­lichen magnetischen Eigenschaften zu trennen. Diese Technik hat sich für Materialien bewährt, die in einem angelegten Magnetfeld stark magnetisiert werden können, zum Beispiel Eisen. Aber gilt das auch für viel schwächere magnetische Materialien, wie etwa para­magnetische Seltenerd-Metall­ionen? „Die räumlich begrenzte Anreicherung solcher Ionen in einer wässrigen Lösung unter dem Einfluss von Magnet­feldern ist ein verblüf­fender Effekt, der zwar beobachtet wurde, dessen Verständnis jedoch neue physikalische Einsichten erfordert“, sagt Zhe Lei HZDR. Sein Team ist seit einiger Zeit dabei, die detail­lierten Grundlagen dieses komplexen Phänomens zu erforschen.

Die Triebkraft, die auf magnetisierte Teilchen in Magnetfeldern wirkt, hängt von der Stärke und der Art des Feldes ab, worauf jedes Material wiederum mit einer charakte­ristischen Magneti­sierung reagiert. Diesen Umstand macht sich Leis Team zunutze, wie der Forscher erläutert: „Um die ursprünglich über die ganze Lösung verteilten Seltenerd-Ionen effizient abtrennen zu können, müssen wir zunächst dafür sorgen, dass sie sich in einer Schicht anreichern. Das gelingt uns mit unserem Magneten.“

Dessen Kraft ermöglicht es, Objekte in einen Schwebe­zustand zu versetzen und sie so in einer deutlich ausge­prägten Schicht anzusammeln. Die Zugabe von Wasser zum System hilft zudem, makro­skopische Objekte in der Schwebe zu halten, da der Auftrieb den Hebevorgang unterstützt. Wenn die Forscher jedoch die Dimension der betrachteten Teilchen auf die Größe von Ionen reduzieren, müssen sie auch die Zusammen­stöße der umgebenden Moleküle berück­sichtigen, die sich in der Lösung in ständiger thermischer Bewegung befinden. Deren kinetische Energie übersteigt die magnetische Energie, und der Hebeeffekt verschwindet.

Hier ist ein zusätzlicher Prozess gefragt: „Wir haben heraus­ge­funden, dass eine gewisse Verdunstung des Wassers an der Oberfläche der Lösung stattfinden muss, damit die Anreicherung gelingt. Dabei nimmt die Dichte der neu gebildeten ober­flächen­nahen Schicht zu, wodurch eine Tendenz zur Vermischung mit der darunter­liegenden Schicht entsteht. Der nach oben gerichtete Magnet­feldg­radient wirkt jedoch der Schwerkraft entgegen und hält die Anreiche­rungs­zone in der Schwebe, was sie vor Vermischung schützt“, berichtet Lei.

Dieses Wissen könnte als eigen­ständige Technologie angewandt oder in groß­technische Lösungs­mittel-Extraktions­prozesse integriert werden. Für die Entwicklung eines Prototyps, der dieses Prinzip nutzt, ist jedoch ein detail­liertes Verständnis der Stabilität des Systems erforderlich. „Um dieses Problem anzugehen, mussten wir die einzelnen Beiträge von Schwerkraft, Auftrieb und Magnetfeld zu einem Raum zusammen­führen, der einer Landschaft sehr ähnlich ist: die Oberfläche der poten­ziellen Energie, eine topo­logische Struktur, die in ihrer Darstellung an eine Wanderkarte erinnert. Doch anstatt Berge oder Wasserfälle zu zeigen, gibt sie uns eine Vorstellung davon, wo sich im Laufe der Zeit hohe Metall­ionen-Konzen­tra­tionen bilden“, beschreibt Lei den numerischen Teil der Teamarbeit.

Eine entscheidende Heraus­forderung der magnetischen Trenn­technik ist die Verfüg­bar­keit starker Magnetfelder. Supra­leitende Magnete sind eine Möglichkeit, aber sie haben einen hohen Preis. Leis Team schlägt einen wirtschaft­licheren Ansatz vor – eine intel­ligente Anordnung von Magneten auf Neodym-Basis, den stärksten im Handel erhältlichen Permanent­magneten: Ein Stabmagnet, der so in einen Ring­magneten eingesetzt wird, dass die jeweiligen Magneti­sie­rungen in entgegen­gesetzte Richtungen zeigen, funktioniert hinsichtlich eines optimalen Trenn­prozesses am besten.

Das Team untersuchte, wie stark das Feld ist, das ihre Magnet­anordnung erzeugt. Das Ergebnis: Die Intensität des magnetischen Gradienten von Leis Anordnung ist etwa fünfzig Mal stärker als die von Referenz­systemen, die an der Harvard University in den USA entwickelt wurden. „Mit Hilfe von Computer­modellen konnten wir zudem den genauen Ort bestimmen, an dem sich unsere Test­partikel unter dem Einfluss des Magnetfelds ansammeln, und zwar unabhängig von ihrer Ausgangs­position in der Lösung. Parallel dazu haben wir die Lage dieses Anreiche­rungs­orts mit Hilfe der Mikroskopie gemessen. Die experi­men­tellen Daten stimmen mit dem model­lierten Ergebnis so gut überein, dass wir nun im Umkehr­schluss die Infor­ma­tionen über das Magnetfeld kosten­günstig allein aus den optischen Messungen rekon­stru­ieren können“, fasst Lei zusammen. Inzwischen haben die Forscher ein Verfahren zur Bestimmung der magnetischen Gradienten­kraft und ihrer räum­lichen Verteilung zum Patent angemeldet.

HZDR / RK

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