23.03.2023

Leicht und innovativ

Studentisches Experiment auf der Internationalen Raumstation nutzt superleichte Stützstrukturen.

An Bord des SpaceX-Cargo-Dragon-Weltraum­transporters, der am 15. März 2023 um 2.30 Uhr deutscher Zeit vom Kennedy Space Center in Florida zur Inter­nationalen Raumstation (ISS) aufgebrochen ist, befinden sich unter anderem drei Experimente der studentischen Klein­satelliten­gruppe KSat e.V. der Universität Stuttgart. Unterstützt wurden die Studierenden von einem Team des Fraunhofer-Instituts für Produktions­technologie IPT in Aachen, das die superleichten und extrem stabilen Stütz­strukturen für den Versuchs­aufbau designt und gefertigt hat.

 

Abb.: Stefan Gräfe (re.) konstruierte mehrere Bauteil­designs. (Bild: Fh.-IPT)
Abb.: Stefan Gräfe (re.) konstruierte mehrere Bauteil­designs. (Bild: Fh.-IPT)

Mechanische Bauteile wie Kugellager, Kolben oder Pumpen haben eine begrenzte Lebensdauer: Sie verschleißen mit der Zeit und müssen dann erneuert werden. Raumfahrt­ingenieure stellen solche Verschleißteile vor ein großes Problem, denn im Weltraum lassen sich diese nicht einfach austauschen. Mit drei Experimenten möchte das Stuttgarter Team von KSat e.V. in der Schwere­losigkeit testen, wie sich mechanische Bauteile durch den Einsatz von Ferrofluiden optimieren lassen und wie sich dadurch möglicherweise die Lebensdauer der Bauteile verlängern lässt. Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen sich winzige magnetische Partikel befinden.

In einem der drei Experimente wird ein mit Ferrofluid gelagertes Lageregelungssystem erprobt: Die magnetische Flüssigkeit wird in dem Experiment so durch externe Magnetfelder gelenkt, dass ein Drehmoment erzeugt wird. Bei den anderen beiden Experimenten handelt es sich um einen elektrischen sowie einen thermischen Schalter, bei denen die Ferrofluide einen Stromkreislauf und einen Wärme­kreislauf öffnen und schließen.

Die Astronauten der ISS bauen den Versuchsaufbau in einen Experimentier­schrank auf der Raumstation ein, wo er etwa vier Wochen bleiben wird. Der Platz in dem Schrank ist sehr begrenzt: Nur zehn auf zehn auf zwanzig Kubik­zentimeter groß durfte die Box sein, in der sich die Experimente befinden. Aufgebracht sind die Versuchsaufbauten auf Aluminium­platten, die mit Gewinde­stangen im Boden der Box verschraubt sind. Um die Konstruktion zu stabilisieren und die Experimente zu schützen, waren zusätzlich besondere Stützstrukturen notwendig.

Die Studierenden wandten sich an das Fraunhofer IPT mit der Bitte, vier Strukturbauteile zur Stabilisierung und zum Schutz des Versuchsaufbaus zu konstruieren und zu fertigen. Die Anforderungen waren hoch: Die Strukturbauteile müssen enorm stabil sein, um den starken Vibrationen während des Flugs – besonders während des Starts und der Wiedereintrittsphase in die Erdatmosphäre – zu widerstehen und um zu verhindern, dass sie die Experimentebenen verschieben. Gleichzeitig sollte der Aufbau möglichst offen gestaltet sein, um eine Luftzirkulation zur Kühlung der Experimente zu gewährleisten. Darüber hinaus durften die Bauteile insgesamt nicht mehr als 400 Gramm auf die Waage bringen.

Stefan Gräfe, Experte für die Additive Fertigung am Fraunhofer IPT, entwarf gleich mehrere Varianten der Strukturbauteile. Mithilfe einer Modellierungs­software analysierte er den zur Verfügung stehenden Raum und gestaltete innerhalb dieses virtuellen Raums Bauteile, die alle Kriterien erfüllten. Als Fertigungs­verfahren dienten ihm und seinem Team das Laser Powder Bed Fusion (LPBF), als Material nutzten sie einen rostfreien Stahl. Beim LPBF wird der pulverförmige Werkstoff in einer sehr dünnen Schicht gleichmäßig auf eine Bauplatte aufgetragen und mit einem gerichteten Laserstrahl selektiv aufgeschmolzen. Das Fertigungs­verfahren bot sich an, da sich mit dem LPBF sowohl die offenen Bereiche für die Luftzirkulation als auch die Hohlstrukturen zur Gewichtsreduktion am besten herstellen lassen.

Zusätzlich verfolgten die Forscher ein weiteres Ziel: Es galt, den Nach­bearbeitungs­aufwand so gering wie möglich zu halten. Um Stützstrukturen zu vermeiden, die ausschließlich zur Fertigung dienten und anschließend aufwändig hätten abgetrennt werden müssen, konzipierten sie die Bauteile so, dass sie auf diese Strukturen verzichten konnte.

Durch den schichtweisen additiven Aufbau im LPBF-Verfahren konnte das Fraunhofer-Team die Bauteile unkompliziert und schnell herstellen. Im Anschluss mussten die Bauteile nur noch von der Bauplatte gesägt werden. In der mechanischen Werkstatt des Fraunhofer IPT wurden die gesägten Flächen abgefräst, um die finale Höhe der Bauteile und eine glatte Fläche herzustellen.

Abschließende Messungen ergaben: Die Strategie des Fraunhofer-Teams ging auf. Nur 141 Gramm bringen die Stützstrukturen insgesamt auf die Waage. Damit bleibt das Aachener Team deutlich unterhalb der Vorgaben der Studierenden aus Stuttgart. Auch die Belastungs­tests zur Prüfung der Stabilität beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln bestanden die Bauteile. Nun kreist der Versuchs­aufbau für die nächsten Wochen um die Erde und schützt die Stuttgarter Experimente.

Fh.-IPT / DE

 

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