18.01.2022 • Kernphysik

Ladungsradien als Prüfstein neuester Kernmodelle

Übereinstimmung experimentellen Daten mit DFT-Ergebnissen und drei unabhängigen ab-initio-Rechnungen.

Bis heute sind 118 Elemente bekannt, von denen nur sechs eine magische Protonenzahl besitzen: Bei Helium, Sauerstoff, Kalzium, Nickel, Zinn und Blei sind die Schalen, auf denen sich Protonen anordnen, voll besetzt, was ihnen eine besondere Stabilität verleiht. Diese Elemente sind für die Kernphysik das, was die Edelgase für die Chemie und die Atomphysik sind. Das Element Nickel mit 28 Protonen ist eines dieser Elemente. Informationen über den Verlauf der Kern­ladungs­radien entlang der Isotopen­kette – als Maß für die Größe des Kerns eines Isotopes – sind äußerst attraktiv für die Entwicklung eines gemeinsamen theoretischen Rahmens, in dem sich alle Kerne, von den leichtesten bis zu den schwersten, konsistent beschreiben lassen.

Abb.: Aus der Verbindung von ab-initio-Modellen (links) und...
Abb.: Aus der Verbindung von ab-initio-Modellen (links) und Dichte­funk­tional­theorie (rechts) wird ein theo­re­tischer Rahmen für die Be­schrei­bung aller Kerne. (Bild: F. Sommer, TU Darm­stadt)

Ein wichtiger Teil dieses Vorhabens ist die Verbindung von ab-initio-Theorien mit der Dichte­funktional­theorie. Die ab-initio-Theorie beschreibt Kerne auf der Basis individueller Protonen und Neutronen und den zwischen diesen herrschenden Kräften. Die Dichte­funktional­theorie basiert auf kontinuier­lichen Dichte- und Strom­ver­teilungen der Nukleonen. Ab-initio-Rechnungen waren früher auf leichte Kerne beschränkt, da bei schwereren Elementen aufgrund der wachsenden Nukleonenzahl der Rechen­aufwand dramatisch anwuchs. Inzwischen konnte deren Anwendung durch einen großen Fortschritt in der Behandlung von Viel­teilchen­systemen bis über die Nickelregion hinaus ausgeweitet werden. Die Dichte­funktional­theorie auf der anderen Seite wurde entwickelt, um sie auch auf Kerne der schwersten bekannten Elemente anwenden zu können. Dafür ist sie aber in der Beschreibung sehr leichter Kerne limitiert. Nickel ist derzeit das schwerste magische Element, auf das beide Modelle angewendet werden können, und daher ein ideales Testfeld.

Die Laserspektroskopie ist die Technik, mit der sich Ladungsradien entlang einer Isotopen­kette mit der höchsten Präzision bestimmen lassen. Jetzt haben gleich zwei Experimente Ladungs­radien von Nickel­isotopen bestimmt. Eines der Experimente fand an der Isotopen­fabrik ISOLDE des CERN statt und das andere am National Super­conducting Cyclotron Laboratory an der Michigan State University, wobei jede der beiden Einrichtungen ihre spezifische Stärke in der Produktion kurzlebiger Isotope ausnutzte. An ISOLDE wurde eine ganze Isotopen­kette vom leichtesten stabilen Isotop 58Ni bis hin zum neutronen­reichen 70Ni untersucht.

Die präzise Berechnung von Kernladungs­radien ist eine große Heraus­forderung in der theoretischen Kernphysik. Sowohl bei ab-initio- als auch bei DFT-Berechnungen zu neutronen­reichen Isotopen des leichteren magischen Elementes Kalzium gab es Diskrepanzen zu deren experi­men­tellen Werten. Seitdem wurden beide Ansätze verbessert. Die jetzt veröffentlichte Über­ein­stimmung der experi­mentellen Daten mit den DFT-Ergebnissen und denen dreier unabhängiger ab-initio-Rechnungen mit Abweichungen von maximal einem Prozent zeigt, dass eine präzise Kerntheorie basierend auf grund­legenden Prinzipien der Kernkraft näher rückt.

TU Darmstadt

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