14.04.2021

Künstliche Intelligenz für den Weltraum

Neue Technologien sollen bislang unbekannte Anomalien leichter aufspüren.

Plötzlich waren kreisrunde Löcher auf der Ober­fläche des Mars zu sehen. Auf Fotos vom Saturn­mond Enceladus wurden Geysire entdeckt, die mächtige Fontänen Richtung Weltraum schleudern. Und auf den Bildern des Mars-Rovers Curiosity fanden sich Strukturen, die wie versteinerte Würmer aussehen. Alle diese Phänomene, die teils nur vorüber­gehend erscheinen, wurden durch Zufall entdeckt. Oder weil Menschen sich viel Zeit nahmen, um die Bilder von den Nachbar­planeten der Erde zu sichten. „Mit Techno­logien der künst­lichen Intelli­genz ließen sich bislang unbekannte Anomalien viel leichter aufspüren“, sagt Hakan Kayal von der Uni Würzburg.

Abb.: Visualisierung des neuen Techno­logie-Erprobungs­satel­liten für...
Abb.: Visualisierung des neuen Techno­logie-Erprobungs­satel­liten für hoch­auto­nome Nutz­lasten und künst­liche Intel­li­genz. (Bild: H. Kayal, JMU)

Künstliche Intelligenz in der Raumfahrt einsetzen? Laut Kayal steht die Wissen­schaft auf diesem Gebiet noch ganz am Anfang: „Es gibt dazu nur eine Handvoll Projekte.“ Wenn eine KI unbekannte Phänomene aufspüren soll, muss sie zuvor trainiert werden. Sie muss mit Bekanntem gefüttert werden, damit sie Unbekanntes erkennen kann. „Es gibt schon Satelliten, die mit KI arbeiten. Deren KI wird auf der Erde trainiert und dann in den Orbit gefunkt. Wir haben aller­dings anderes vor: Wir wollen die KI an Bord eines Klein­satelliten unter Weltraum­bedingungen trainieren“, sagt Kayal. Für dieses Projekt erhält er 2,6 Millionen Euro vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie.

Das Vorhaben sei heraus­fordernd, aber machbar. „Auch miniatu­ri­sierte IT-Systeme werden immer leistungs­fähiger“, so der Forscher. „Und wir lassen uns Zeit für das Training der KI. Da kann ein Lern­prozess im Orbit ruhig auch einmal mehrere Tage in Anspruch nehmen.“ Warum überhaupt das Training der KI in den Weltraum verlagern, auf Computer im Kleinst­format? Wo es doch mit Groß­rechnern auf der Erde viel einfacher zu reali­sieren wäre? Das liegt daran, dass Kayal eine klare Vision von der Zukunft hat. Er möchte Klein­satelliten mit KI nicht nur zur Beobachtung der Erde, sondern auch inter­planetar einsetzen – um neue extra­terres­trische Phänomene zu entdecken, vielleicht sogar Spuren außer­irdischer Intel­li­genzen.

„Sobald man interplanetar unterwegs ist, wird die Kommuni­ka­tion mit dem Satelliten zum Flaschen­hals“, sagt der Wissen­schaftler. Mit zunehmender Entfernung zur Erde dauert der Daten­transfer länger, „da kann man nicht ständig Daten hin- und herschicken. Darum muss die KI dazu in der Lage sein, auf dem Satelliten selbst­ständig zu lernen. Und sie darf ausschließlich relevante Entdeckungen zur Erde melden.“

Diese Technologie wird Kayals Team um Projektleiter Oleksii Balagurin auf dem Klein­satelliten SONATE-2 implemen­tieren und im Orbit erproben. Angelaufen ist das Projekt am 1. März, im Frühjahr 2024 soll der Satellit in den Orbit gebracht werden. Die Mission dort ist auf ein Jahr veranschlagt. Der Klein­satellit wird etwa so groß wie ein Schuh­karton sein. Mit seinen Kameras, die in unterschiedlichen Spektralbereichen Bilder aufnehmen, wird er die Erde im Blick haben. Die Bilddaten fließen in die KI, die automatisch Objekte erkennen und klassi­fi­zieren soll. Rund um die Erde wird die Techno­logie zuerst eingehend erprobt, bevor sie später auf inter­planetare Reise gehen kann.

SONATE-2 wird noch andere innovative und hoch­autonome Features an Bord haben. Das Sensor­daten-Verarbeitungs­system wird im Vergleich zum Vorgänger­satelliten SONATE weiter miniatu­ri­siert und energie­sparender gemacht. Dazu kommen neuartige Satelliten­bus­kompo­nenten, etwa verbesserte Stern­sensoren für die autonome Lage­regelung. Die Kameras sollen nicht nur statische Objekte erkennen und aufnehmen, sondern auch kurze, vorüber­gehende Phänomene wie Blitze oder Meteore.

JMU / RK

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