30.10.2012

Koloss gegen Krebs

Am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT ist die über 600 Tonnen schwere Gantry in Betrieb gegangen, die einmalige Möglichkeiten zur Tumorbehandlung bietet.

Bei Krebserkrankungen zählt die Bestrahlung mit Gamma- oder Teilchenstrahlen neben Chemotherapie und Operation zu den Waffen der Medizin. Insbesondere bei Tumoren, die nicht auf Chemotherapie reagieren und sich nicht operativ entfernen lassen, bietet sie oft die einzige Chance auf Heilung. Während jedoch Gammastrahlen im Körper kontinuierlich ihre Energie abgeben und damit unweigerlich auch gesundes Gewebe beschädigen, geben Strahlen aus Protonen oder schwereren Ionen den Großteil ihrer Energie erst am Ende ihrer Reichweite ab, am sog. Bragg-Peak. Daher eignen sie sich besonders zur Bestrahlung von tiefliegenden Tumoren, zum Beispiel im Gehirn.

Vor über zwanzig Jahre startete die Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt ein Pilotprojekt zur Ionentherapie, dessen Erfahrungen und Knowhow in das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT eingeflossen sind. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach dessen Einweihung ging am 29. Oktober der letzte von drei Therapieplätzen in Betrieb, dessen zentrales Element eine gigantische Strahlkonstruktion ist. Diese weltweit einmalige „Gantry“ ist eine um 360° drehbare Strahlführung und erlaubt es, Patienten aus jeder Richtung sehr präzise mit Protonen oder Ionen zu bestrahlen. Im Vergleich zu den beiden anderen Therapieplätzen, bei denen der Strahl horizontal verläuft, ist es damit möglich, die Strahlendosis viel exakter zu lokalisieren. Das kommt zum Beispiel Patienten zugute mit einem Tumor zwischen den Augen, der sich bestrahlen lässt, ohne die Sehnerven zu schädigen.

670 Tonnen, 25 Meter lang, 13 Meter im Durchmesser und drei Stockwerke hoch - dies sind die beeindruckenden Maße der Gantry am HIT. Zentraler Teil davon ist ein normalleitender 2-Tesla-Eisenmagnet zur Ablenkung der hochenergetischen Teilchenstrahlen, der allein 90 Tonnen wiegt (orange). (Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg)


Seit 2009 wurden 1200 Patienten am HIT behandelt. Die bisherigen Ergebnisse sind zwar erfolgversprechend, müssen aber durch klinische Studien abgesichert werden. „Für Tumorerkrankungen, bei denen die herkömmliche Therapie nicht erfolgreich ist, wird in den nächsten Jahren in klinischen Studien untersucht, ob eine Protonen- oder Schwerionen-Bestrahlung bessere Behandlungsergebnisse bringt“, sagt Jürgen Debus, der wissenschaftlich-medizinische Leiter des HIT. So soll geklärt werden, welche Schwerionen bei den einzelnen Tumorerkrankungen therapeutisch am wirksamsten sind.

Die Baukosten des HIT in Höhe von 119 Millionen Euro haben BMBF und Universitätsklinikum Heidelberg zu gleichen Teilen übernommen. Pro Jahr sollen künftig 750 Patienten behandelt werden. Die durchschnittlichen Kosten pro Behandlung von 25000 Euro sind zwar dreimal so hoch wie bei konventioneller Strahlentherapie, eine Chemotherapie ist aber zum Teil deutlich teurer. Das HIT hat Verträge mit Krankenkassen zur Übernahme der Kosten geschlossen und hat zum Ziel, kostendeckend zu arbeiten.

Stefan Jorda

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