12.10.2021

Kohlenstoff-Fußabdruck massereicher Sterne

Doppelsternsysteme produzieren mehr Kohlenstoff als bisher angenommen.

Der kosmische Ursprung von Kohlenstoff, einem grund­legenden Baustein des Lebens, ist immer noch ungeklärt. Massereiche Sterne spielen eine wichtige Rolle bei der Synthese aller schweren Elemente, von Kohlenstoff und Sauerstoff bis hin zu Eisen. Doch obwohl die meisten massereichen Sterne in Mehrfach­sternsystemen geboren werden, haben die bisherigen Nukleo­synthese­modelle fast ausschließlich Einzelsterne betrachtet. Ein inter­nationales Team von Astrophysikern unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) hat nun den Kohlenstoff-Fußabdruck von massereichen Sternen berechnet, die ihre Hülle in einem Doppelstern­system abgeben.

Abb.: Massereiche Sterne kommen oft in engen Doppelstern­systemen vor, bei...
Abb.: Massereiche Sterne kommen oft in engen Doppelstern­systemen vor, bei denen ein Stern seinem Begleitstern Masse entzieht. Diese Doppelstern­systeme produzieren etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie einzelne, masse­reiche Sterne. (Bild: ESO / M. Kornmesser / S.E. de Mink)

„Im Vergleich zu einem einzelnen Stern produziert ein masse­reicher Stern in einem Doppelstern­system im Durchschnitt doppelt so viel Kohlenstoff“, berichtet Robert Farmer. „Bis vor Kurzem haben die meisten Astrophysiker nicht berücksichtigt, dass massereiche Sterne oft Teil eines Doppelstern­systems sind. Wir haben zum ersten Mal untersucht, wie die Anwesenheit eines Begleiters die Menge der von ihnen erzeugten Elemente verändert.“ Die meisten Sterne, ein­schließlich unseres eigenen Sterns, der Sonne, werden durch die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium angetrieben. In ihren „goldenen Jahren“, nachdem sie etwa neunzig Prozent ihres Lebens hinter sich haben, beginnen sie mit der Umwandlung von Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff. Sterne wie die Sonne hören hier auf, aber massereiche Sterne können weiterhin Kohlenstoff zu schwereren Elementen bis hin zu Eisen fusionieren.

Die große Herausforderung besteht nicht in der Herstellung von Kohlenstoff, sondern darin, ihn aus dem Stern herauszuholen, bevor er zerstört wird. Bei Einzelsternen ist dies sehr schwierig. Sterne in Doppelstern­systemen können miteinander wechselwirken und Masse auf einen Begleiter übertragen. Der Stern, der Teile seiner Masse verliert, entwickelt eine kohlenstoff­reiche Schicht nahe der Oberfläche, die bei der Explosion des Sterns als Supernova ausgestoßen wird. „Es ist vielleicht nicht fair, Doppelsterne für die Treibhaus­gase verantwortlich zu machen, die die globale Erwärmung verursachen“, scherzt Selma de Mink, Direktorin der neuen Abteilung für stellare Astrophysik am MPA, „aber ist es nicht cool, sich in den Arm zu kneifen und fest­zustellen, dass der Kohlenstoff in Ihrer Haut wahrscheinlich in einem Doppelstern entstanden ist?“

Astronomen untersuchen auch andere Arten von Sternen, die Kohlenstoff produzieren können, wie zum Beispiel rote Riesen oder Explosionen von weißen Zwergen. Bisher scheint es jedoch so zu sein, dass massereiche Sterne, und nach dieser neuen Studie insbesondere Doppel­sterne, den größten Teil des kosmischen Kohlenstoffs produzieren. „Unsere Ergebnisse sind ein kleiner, aber wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der Rolle massereicher Sterne bei der Erzeugung der Elemente, aus denen wir selbst bestehen“, erklärt Robert Farmer. „Bislang haben wir nur eine Art von Wechselwirkung in Doppelstern­systemen untersucht. Es gibt viele andere mögliche Lebenswege für einen Stern, der in der Nähe eines Begleiters geboren wird – und viele andere Elemente, die es zu erforschen gilt.“ Die neuen Ergebnisse sind also nur der Anfang einer systema­tischen Untersuchung der Auswirkungen, die ein naher Begleiter auf die chemische Ausbeute masse­reicher Sterne hat.

MPA / JOL

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