10.05.2022

Kohlendioxidanstieg schneller messen

Einfachere Trennung von natürlichen und anthropogenen Emissionen.

Wissenschaftlern rund um Forschende vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie ist es gelungen, Verän­derungen der Kohlendioxidemissionen aus fossilen Brennstoffen sehr viel schneller als zuvor zu erfassen. Mit einer neuen Methode kombinierten sie atmo­sphärische Messungen von Kohlendioxid (CO2) und Sauerstoff (O2) von der Nordküste Groß­britanniens. So konnten sie zwischen natürlichen CO2-Abgaben der Landoberfläche und denen aus fossilen Brennstoffen unterscheiden. Sie fanden einen klaren Rückgang der CO2–Emissionen fossilen Ursprungs während der Corona-Pandemie. 

Abb.: Atmosphärische Mess­station in der Dehesa nahe Majadas in Spanien....
Abb.: Atmosphärische Mess­station in der Dehesa nahe Majadas in Spanien. (Bild: O. Kolle, MPI-BGC)

Bislang war nicht möglich, CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger – ffCO2 – auf regionaler Ebene mit hoher Genauigkeit und nahezu in Echtzeit zu bestimmen. Mit einer neuen Methode, unter Einbeziehung atmo­sphärischer Sauerstoff (O2)-Messungen, können die Forscher nun zwischen CO2-Emissionen aus anthro­pogenen und natürlichen Quellen unterscheiden. Die Methode beruht darauf, dass das mengen­mäßige Verhältnis zwischen CO2 und O2 für die verschiedenen Prozesse in der Biosphäre bekannt ist, und aus den atmosphärischen Messungen des gesamten COheraus­gerechnet werden kann. In dem „top-down“-Ansatz der atmo­sphärischen Messungen kann somit das ffCO2 aus fossilen Brennstoffen erkannt werden.  

Das Forscherteam, bestehend aus Wissen­schaftlern der University of East Anglia, der Universität Wageningen und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, nutzte hierfür hochpräzise, stündliche Messungen von atmo­sphärischem O2 und CO2, die über zehn Jahre vom Weybourne Atmospheric Observatory an der Nordküste Englands erfasst wurden. Sie ermittelten so die gemessenen ffCO2-Emissionen vor der Corona-Pandemie und berechneten in Modellen mit maschinellem Lernen die erwarteten Emissionen, die ohne Pandemie aufgetreten wären. Anschließend verglichen sie diese Schätzung mit dem tat­sächlich in den Jahren 2020-2021 gemessenen und errechneten ffCO2, wodurch eine Verringerung der anthro­pogenen ffCO2-Emissionen während der Pandemie klar erkennbar wurde. 

„Unsere Studie ist ein großer Erfolg in der Atmosphären­forschung. Bislang war es nicht möglich, durch atmo­sphärische top-down Messungen Veränderungen der ffCO2-Emissionen – zum Beispiel durch die Corona-Pandemie – nachzuweisen“, sagt Penelope Pickers von der University of East Anglia. „Mehrere andere Studien, die sich ausschließlich auf CO2-Daten stützten, waren erfolglos, da die starken Emissionen von Land­pflanzen die ffCO2-Signale in der Atmosphäre verdecken“, ergänzt Christoph Gerbig vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Ein entscheidender Vorteil ist auch, dass dieser O₂-basierte Ansatz viel schneller Emissions­änderungen auf regionaler Skala erkennen kann, allerdings keine absoluten Werte. Die Forscher können also Veränderungen der ffCO2Emissionen mit höherer Frequenz erkennen, beispielsweise in täglichen Schätzungen, und auf kleinen regionalen Skalen. 

Die Ergebnisse der neuen Methode stimmen gut mit drei langwierigen, unabhängigen Emissions­schätzungen überein, die unterschiedliche Methoden und Datenkombinationen verwendeten und während der Pandemie von Großbritanniens Wirtschafts­ministerium und den internationale Organi­sationen „Global Carbon Budget“ und „Carbon Monitor“ erstellt wurden. Für den Kampf gegen den Klimawandel ist die neue Methode von hoher Bedeutung: „Wenn wir Menschen unsere CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und unsere Auswirkungen auf das Klima reduzieren wollen, müssen wir zuerst wissen, wie viel wir emittieren und wie sich die Emissionen verändern“, sagt Gerbig. „Wir brauchen zuverlässige ffCO2-Emissions­schätzungen, und zwar schnell und in feineren Maßstäben“, so Gerbig weiter.

Derzeit werden regionale und nationale ffCO2-Emissionen mit einem „bottom-up“-Ansatz an die Politik gemeldet, ohne tatsächliche Messungen in der Atmosphäre. Dabei werden CO2-Bilanzierungs­methoden angewandt, die Emissions­faktoren mit Energie­statistiken zur Berechnung der Emissionen kombinieren. Diese werden dann in nationalen Verzeichnissen der geschätzten anthropogenen Treibhausgas­emissionen zusammengestellt. Die Verzeich­nisse können in verschiedenen Ländern jedoch sehr unsicher oder ungenau sein.

Außerdem kann es Jahre dauern, bis die Bilan­zierungen abgeschlossen sind, und auf regionaler Ebene oder auf monatlicher oder wöchentlicher Basis sind die Unsicher­heiten noch viel größer. Alle diese Einschränkungen machen es schwieriger, die politischen Klima-Ziele zu erreichen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Netzwerk von kontinuierlichen Mess­stellen ein großes Potenzial für die Bewertung des CO2 aus fossilen Brenn­stoffen auf regionaler Ebene haben könnte“, sagt Gerbig. Hierzu gibt es bereits nationale und inter­nationale Messnetze, die allerdings zur Nutzung der neuen Methode weiter ausgebaut werden müssten.

MPI BGC / JOL

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