14.05.2014

Kernphysik gegen Krankheiten

Das „Nuclear Physics European Collaboration Commitee“ (NuPECC) hat einen Bericht zur Kernphysik für die Medizin vorgestellt.

Die meisten Phänomene und Experimente der Kernphysik entziehen sich unserer Alltagserfahrung, und doch gibt es Gebiete mit hoher gesellschaftlicher Relevanz, in der die Kernphysik einen wesentlichen Beitrag leistet – Energie, Umweltforschung, Materialwissenschaften, Lebenswissenschaften, Archäologie und nicht zuletzt die Medizin. Aus diesem Grund hat das europäische Komitee für Kernforschung NuPECC (Nuclear Physics European Collaboration Commitee) kürzlich einen Bericht über die Kernphysik in der Medizin vorgelegt, der den Stand der Forschung in den Bereichen Hadronentherapie, Bildgebung und Isotopenproduktion zusammenfasst und verdeutlicht, welch hohen Einfluss die kernphysikalische Forschung auf die Entwicklungen in der Medizin hat.

NuPECC-Bericht "Nuclear Physics for Medicine"

Damit künftig mehr Patienten von den Vorteilen der Nuklearmedizin profitieren können, ist es notwendig, die Bildgebung weiter zu verbessern und neue Isotope verfügbar zu machen. Während die Nuklearmedizin in der Diagnostik bereits seit vielen Jahren diverse Anwendungen gefunden hat, standen passende Radiotherapeutika bisher nur für relativ seltene Krankheiten zur Verfügung. „Das wird sich demnächst grundlegend ändern“, ist Ulli Köster vom Institut Laue Langevin (ILL) in Grenoble überzeugt, der an dem NuPECC-Bericht mitgearbeitet hat. „Neue Radiotherapeutika, die auf viel häufigere Leiden wie Prostatakrebs abzielen, sind jetzt in der Entwicklung bzw. Markteinführung.“

Zudem besteht die Möglichkeit, Radiopharmaka zunächst mit Isotopen zur Diagnostik zu markieren und damit für jeden einzelnen Patienten zu überprüfen, welche Dosis in Krebsgeschwüren bzw. kritischen Organen deponiert würde. „Mit dieser so genannten Theranostik, einer Form der personalisierten Medizin, ist schon vor der Behandlung klar, ob der Patient davon profitieren kann“, erläutert Köster. „Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der Chemotherapie, bei der man erst nach der Behandlung sieht, ob sie angeschlagen hat, die aber jedem Patient schwere Nebenwirkungen beschert.

Der Bericht richtet sich an Wissenschaftler, Förderorganisationen und politische Entscheidungsträger und soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass kernphysikalische Forschungsanlagen die medizinische Diagnostik verbessern und zur Krebstherapie beitragen können. „Ohne die gewaltigen Vorarbeiten an der GSI wäre das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum wohl nie gebaut worden“, meint Ulli Köster. Auch bei der Einführung neuer neutronenreicher Radioisotope können Forschungsneutronenquellen wie das ILL oder der FRMII in Garching mit zusätzlichen Bestrahlungsplätzen helfen, ohne die traditionelle Nutzung zu beeinträchtigen.

Die Schwierigkeit auf diesem Gebiet besteht darin, Industrie und Forschung in so unterschiedlichen Bereichen wie Kernphysik, Radiochemie, Biologie, Strahlenbiologie, Nuklearmedizin, Medizinphysik etc. zusammen zu bringen. „Dies wollen wir den Entscheidungsträgern bewusst machen, damit entsprechende Projekte nicht zwischen die Stühle verschiedener Fachbereiche oder zu eng abgegrenzter Förderprogramme fallen“, führt Ulli Köster aus. Aber auch das Bewusstsein der Allgemeinheit wolle man schärfen: „Radioaktivität ist nicht böse, sondern kann in der Medizin extrem nutzbringend sein. Es kommt darauf an, was man daraus macht!“.

Maike Pfalz

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