04.10.2019 • Energie

Intelligente Fenster und Glasfassaden

Hocheffizientes Energiemanagement mit neuartigen Schalttechnologien.

In der modernen Architektur ist die groß­flächige Verglasung nicht nur wegen ihrer Optik und Gestaltungs­vielfalt ein anhaltender Trend. Große, nach Süden ausge­richtete Fenster tragen dazu bei, den Energie­bedarf für die Heizung im Winter zu reduzieren. Groß­flächige Ver­glasungen können jedoch anderer­seits den Energie­bedarf für Kühlung und Klimati­sierung in heißen Sommern deutlich erhöhen. Smarte Gläser, wie beispiels­weise elektro­chrome und thermo­chrome Fenster, erlauben die Steuerung der Wärme­strahlung in das Gebäude per Knopf­druck und ermög­lichen es so, den Heiz- und Klimati­sie­rungs­energie­bedarf großer Gebäude drastisch zu reduzieren.

Abb.: Große Glasfassadengebäude benötigen bis zu 35 Prozent mehr Energie zum...
Abb.: Große Glasfassadengebäude benötigen bis zu 35 Prozent mehr Energie zum Heizen und bis zu fünfmal mehr Energie zum Kühlen als moderne Gebäude mit kleinen Fenstern. (Bild: Fh.-FEP)

Am 1. Oktober startete das EU-geförderte Projekt Switch2Save, in dessen Rahmen smarte Gläser und die dazu­ge­hörigen Fertigungs­prozesse für eine bessere Kosten­effizienz und Verfüg­bar­keit weiter­ent­wickelt werden sollen. Das Konsortium aus zehn führenden Partnern aus Forschung und Industrie wird darüber hinaus das Energie­spar­potenzial von elektro­chromen und thermo­chromen Fenstern und Glas­fassaden in zwei konkreten öffent­lichen Gebäuden demonstrieren.

In modernen Gebäuden tragen Fenster und Glas­fassaden – je nach Größe der Glas­elemente – bis zu sechzig Prozent zum Energie­austausch mit der Umwelt bei. Im Winter wird Wärme nach außen abgegeben, während im Sommer die Sonnen­ein­strahlung den Gebäude­innen­raum massiv erwärmt. Das erhöht den Energie­bedarf für Klimati­sie­rung und Kühlung. Große Fenster und Glas­fassaden verstärken diesen Effekt. Heute werden mechanisch verstell­bare Jalousien und Verschat­tungen zur Steuerung der Sonnen­ein­strahlung in Abhängig­keit von Tages­zeit, Temperatur und Sonnen­ein­strahlung einge­setzt. Sie beein­flussen oder beein­trächtigen jedoch stark den Komfort und die Licht­ver­hält­nisse im Inneren des Gebäudes. Darüber hinaus stören die außen ange­brachten Verschat­tungen insbe­sondere bei großen, repräsen­tativen Gebäuden die Gesamt­ansicht.

Smarte Gläser haben das Potenzial, Fenster­jalousien künftig voll­ständig zu ersetzen. Sie sind bisher jedoch noch nicht auf Energie­ein­sparung optimiert. Weiterhin sind sie sehr teuer und nur begrenzt verfügbar. Switch2save hat das Ziel, diese Ein­schrän­kungen zu über­winden und elektro­chrome und thermo­chrome Systeme für große Fenster und Glas­fassaden verfügbar zu machen. Elektro­chromie basiert auf Materi­alien, die ihre Licht­durch­lässig­keit durch Anlegen einer elektrischen Spannung ändern. Thermo­chrome Zellen basieren auf Materi­alien, die ihre Infrarot-Reflexions­eigen­schaften mit steigender Temperatur ändern.

Das Switch2Save-Konsortium setzt sich aus führenden Univer­si­täten, Forschungs­ein­rich­tungen und Industrie­partnern aus sechs verschiedenen EU-Ländern zusammen. Innerhalb der nächsten vier Jahre werden die Partner gemeinsam eine optimierte Kombi­nation aus EC- und TC-Zellen für ein maximales Energie­ein­spar­potenzial basierend auf einem schalt­baren Gesamt­energie­durch­lass­grad entwickeln. Sie werden die Fertigungs­techno­logien sowohl für die EC/TC-Materialien als auch für die Integra­tion in Isoliergläser für eine höhere Verfügbarkeit und Kosteneffizienz weiter­ent­wickeln. Das Einspar­potenzial von Heiz- und Kühl­energie sowie der Licht­komfort werden anhand von zwei repräsen­ta­tiven Gebäuden in Griechen­land und Schweden umfassend bewertet und demonstriert.

Projektkoordinator John Fahlteich vom Fraunhofer-Institut für organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik  erklärt das Potenzial der Technologie: „Experten schätzen, dass sich der Energiebedarf für die Klimatisierung und Kühlung von Gebäuden bis 2050 mehr als verdoppeln wird. Darüber hinaus benötigen große Glasfassadengebäude bis zu 35 Prozent mehr Energie zum Heizen und bis zu fünfmal mehr Energie zum Kühlen als moderne Gebäude mit kleinen Fenstern. Mit der Switch2Save-Lösung kann der gesamte jährliche Heiz- und Kühlenergiebedarf solcher großen Glasgebäude um bis zu 44 Prozent reduziert werden. Das wird durch intelligente Schaltprotokolle erreicht, die auf lokalen Echtzeit-Wetter- und Temperaturdaten und den Beleuchtungsbedingungen im Gebäude basieren.“

Die im Rahmen von Switch2Save entwickelten EC- und TC-Module basieren auf nanoskaligen Dünnfilmschichten, die mittels großflächiger Vakuum- und Atmosphärendruckabscheidung auf Kunststofffolien oder ultradünnen Glasbahnen aufgebracht werden. Die Module haben ein spezifisches Gewicht von weniger als einem Kilogramm pro Quadratmeter – viel weniger als eine einzige Glasscheibe in einem Fenster. Sie lassen sich in einem Laminationsschritt leicht in IGUs integrieren, um eine Fenster- und Glasfassadenfertigung mit etablierten Verfahren zu ermöglichen – eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Technologie bei den Bauunternehmen. Drahtloses Schalten und Standardschnittstellen zu Gebäudeautomatisierungssystemen werden den Bedürfnissen der Gebäudeeigentümer gerecht und sichern maximale Energieeinsparungen im Betrieb.

Fh.-FEP / RK

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