18.08.2021

Infrarot-Detektor für Smartphones und autonome Fahrzeuge

Sensor macht zwei technisch wichtige, bislang schlecht abgedeckte Bereiche der Infrarot-Strahlung sichtbar.

Wissenschaftler des Forschungs­zentrums Jülich haben gemeinsam Kollegen anderer deutscher und italienischer Institute einen besonders preis­werten Infrarot-Detektor entwickelt, der sich gut in bestehende Kamera­chips und Smart­phones integrieren lässt. Der neue Sensor macht gleich zwei technisch wichtige Bereiche der Infrarot-Strahlung sichtbar, die bisher von konven­tio­nellen Photo­dioden nicht abgedeckt wurden.

Abb.: Die Flüssig­keiten Iso­pro­panol und Toluol er­scheinen für das...
Abb.: Die Flüssig­keiten Iso­pro­panol und Toluol er­scheinen für das bloße Auge durch­sichtig. Im NIR- und SWIR-Bereich werden unter­schied­liche An­teile ab­sor­biert, was in Kom­bi­na­tion eine ge­naue Be­stim­mung er­mög­licht. (Bild: E. T. Simola et al. / ACS; CC BY-NC-ND 4.0)

Die Welt erscheint klarer in kurz­welligem Infrarot: Kameras, die in diesem Bereich des Spektrums arbeiten, liefern Bilder in Graustufen – üblicher­weise gestochen scharf. Denn durch Regen, Nebel oder Dunst können solche Fotochips einfach hin­durch­sehen. Sichtbares Licht wird durch kleine Wasser­tröpfchen in der Luft gestreut – was sich als Schleier auf dem Bild bemerkbar macht, der die Sichtweite und Detail­erfassung begrenzt. Dieser Effekt spielt aber für Licht im SWIR-Bereich keine Rolle. Daher bieten sich solche Kameras für Anwendungen an, wo eine freie Sicht unabdingbar ist, zum Beispiel für autonom fahrende Pkw oder die Luftfahrt­sicherheit.

Herkömmliche Kamera-Chips aus Silizium können den SWIR-Bereich jedoch nur sehr einge­schränkt abbilden. „Es gibt bereits andere Kameras, die für diese Zwecke genutzt werden. Die sehr hohen Kosten verhindern jedoch oftmals den Einsatz im Alltag“, erläutert Dan Buca vom Forschungs­zentrum Jülich. Die Verwendung von Materialien, die sich nur schwer mit Standard-Schalt­kreisen aus Silizium verbinden lassen, macht die Integration in einen Chip komplex und damit teuer. „Unser Detektor füllt daher eine Lücke: Er deckt einen Bereich des Spektrums ab, für den bisher keine preis­werten Sensoren existierten“, so Buca. „Die Wahl von Legierungen und Elementen, die gut mit Silizium verträglich sind, ermöglicht es uns nun, vergleichs­weise einfache Herstellungs­prozesse mit Standard-Werk­zeugen anzuwenden. So können wir sehr günstige Kamera­chips konstruieren, die in jedem Smart­phone genauso wie in heutigen Kameras verbaut werden können.“

Die Basis für den neuen Detektor bildet eine dünne Schicht aus Silizium, dem Standard­material für Computer­chips. Darauf werden weitere Lagen von Halb­leiter­materialien abgeschieden, welche die Elemente Germanium und Zinn enthalten, im Perioden­system alle in derselben Haupt­gruppe stehen wie Silizium. „Die Germanium-Zinn-Halbleiter wurden in Jülich entwickelt“, erläutert Giovanni Isella vom Poly­technikum Mailand, der die Entwicklung des neuen Bauteils gemeinsam mit Buca geleitet hat. „Es hat beinahe zehn Jahre gedauert, bis alle Parameter optimiert waren. Aber jetzt lassen sich diese Halbleiter­schichten in jeder Chipfabrik mit etablierter Technik aufbauen.“ Dadurch ist es möglich, sie besonders preiswert herzustellen. Und weil sie auf Silizium basieren, lassen sie sich auch ohne größere Probleme auf bestehenden Chips integrieren.

So kann man aus den verschiedenen Halbleiter-Schichten Pixel auf Fotochips für Digital­kameras fertigen – die dann in der Lage sind, die gleichen Bilder in verschiedenen Bereichen des Infrarot-Spektrums aufzunehmen. Das lässt manche Objekte – im wahrsten Sinn des Wortes – in einem anderen Licht erscheinen: „Bei Gemälden zum Beispiel können wir damit durch Farb­schichten hindurch­blicken und erkennen, was der Künstler darunter gemalt hat“, sagt Isella. Und bestimmte Druckfarben, die als Sicherheits­merkmal für Geldscheine genutzt werden, scheinen zu verschwinden, wenn sie unter IR-Licht betrachtet werden. Mit dem Jülicher Detektor ließe sich die Echtheit der Banknoten daher leicht überprüfen.

Eine Besonderheit des Detektors: Er ist für zwei verschiedene Bereiche des infraroten Spektrums empfänglich. Dazu muss die Vorspannung, die an ihm anliegt, einfach nur umgepolt werden – und schon schaltet das Bauteil vom nahen Infrarot auf kurz­welliges Infrarot um. „Damit erweitern wir den Anwendungs­bereich des Sensors“, sagt Isella.

Auf diese Weise ist es beispiels­weise möglich, verschiedene Flüssig­keiten und Gase zu unter­scheiden, die NIR- und SWIR-Strahlung unter­schiedlich stark absorbieren. Das konnte das Forscherteam am Beispiel der Lösungs­mittel Isopropanol und Toluol demonstrieren. Mithilfe des schaltbaren Detektors lassen sich die für das menschliche Auge farblosen Flüssig­keiten eindeutig ausein­ander­halten. Das ist nicht nur für Anwendungen im Chemielabor nützlich, sondern auch für vielfältige andere Alltags­anwendungen interessant. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse sind nur der erste Schritt, um das Anwendungs­potenzial des NIR/SWIR-Doppel­band­detektors zu erschließen. Die beteiligten Forschungs­teams setzen ihre Zusammen­arbeit fort, mit dem Ziel, ein kommer­zielles Produkt zu entwickeln.

FZ Jülich / RK

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