24.03.2023

Hochgenaue Atomuhren für den Alltag

Projekt Isabella miniaturisiert optische Atomuhren und macht sie industrietauglich.

Atomuhren gelten derzeit als die genauesten Zeitmesser, mit denen digitale und analoge Uhren synchronisiert werden. Der Zeittakt ergibt sich dabei aus der Messung der atomaren Resonanz im Cäsium-Atom bei Mikro­wellen­strahlung. Mithilfe einer neuen Generation optischer Uhren lässt sich der Standard von Zeit nun bis zu 100.000-mal genauer erfassen, da durch Messungen im Bereich des nahen Infrarot- und sichtbaren Lichts höhere Frequenzen aufgezeichnet werden können. So engagieren sich Fraunhofer-Forscher nun in einem Projekt, das mit miniaturisierten und robusten Lasersystemen für ultrakalte Atome die Kern­komponente entwickelt, durch die solche optische Uhren industrie­tauglich werden.

 

Abb.: Makro­skopischer Tisch­aufbau komplexer Laser­systeme in einer...
Abb.: Makro­skopischer Tisch­aufbau komplexer Laser­systeme in einer optischen Atomuhr (Bild: U. Rosowski / HHU)

Seit Jahrhunderten umgeben uns unterschiedlichste Uhren als Zeitmesser. Dabei definieren Atomuhren durch das Zählen der Schwingungen von Elektronen in Cäsiumatomen – rund neun Milliarden Mal pro Sekunde – den aktuellen Standard: die „koordinierte Weltzeit“ UTC. Jetzt bekommen sie von einer neuen Generation optischer Atomuhren Konkurrenz. Diese messen elektronische Schwingungen im sichtbaren optischen statt im Mikrowellenbereich und erreichen dadurch eine 100.000-fach höhere Genauigkeit. Die ultra­präzisen Chronoskope können den Bruchteil einer Sekunde bis zur 19. Nachkomma­stelle vermessen. Das entspricht einer Zehntel­sekunde im Verhältnis zum Gesamtalter des Universums.

Aktuell nehmen optische Messgeräte jedoch noch viel Raum ein, was eine Miniaturisierung erforderlich macht; eben dies hat man sich nun im BMBF-geförderten Projekt Isabella zum Ziel gesetzt. Das Konsortium fokussiert sich bei der Miniaturisierung auf die Laser, die das Herzstück optischer Uhren bilden und das Messen von Schwingungen in Atomen ermöglichen. Der Prozess gestaltet sich jedoch als komplex: Damit die Schwingungen überhaupt ausgezählt werden können, müssen die sich schnell und unkoordiniert bewegenden Atome zuerst gefangen und zum Bremsen ihrer Bewegungs­geschwindigkeit auf Temperaturen um den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. Für diese Schritte werden Laser mit höchster Präzision benötigt, was in bisherigen Aufbauten zu einer enormen Baugröße des Gesamtsystems führte. An dieser Stelle setzen die Forscher im Projekt Isabella an und entwickeln eine Technologie, mithilfe derer sich die unterschiedlichen Laser maßgeblich verkleinern lassen.

Optische Uhren präzisieren aber nicht nur unsere Zeitnorm, sondern helfen auch bei der Beantwortung von Fragestellungen der fundamentalen Physik: Durch die verbesserte Genauigkeit können etwa die Werte von Natur­konstanten überprüft werden. Solche Werte sind von enormer Bedeutung, um das Universum und die Welt im Laufe der Zeit auf einer Mikroskala zu beschreiben und die akademische Forschung voranzutreiben.

Einen zweiten Anwendungsfall bietet die angewandte Forschung, da moderne optische Uhren auch als Sensoren eingesetzt werden können, um Änderungen im Gravitations­feld zu vermessen. Somit tragen sie zur Erstellung einer hochgenauen Gravitations­karte der Erde bei. Eine solche Karte erlaubt es Geologen, die Bewegung tektonischer Platten exakt zu prognostizieren, Öl- oder Mineralfelder ausfindig zu machen oder die Regung von Magma in Vulkanen frühzeitig zu erkennen. Als hochgenaue Sensoren sind die Uhren auch für die Klima­forschung relevant, als dass sie beispielsweise die Änderungen und Bewegungen des Meeresspiegels aufnehmen.

Eine dritte Anwendungsmöglichkeit der hochpräzisen Uhren ergibt sich beim Einsatz von satelliten­gestützten Navigations­systemen wie dem GPS. Aktuell sind Satelliten bereits mit miniaturisierten mikrowellen­basierten Atomuhren ausgestattet, von welchen die Positionsbestimmung des GPS abhängt. Durch die Integration einer optischen Atomuhr ließe sich die exakte Position mindestens um das Hundertfache präziser bestimmen, was sich für das autonome Fahren und dessen Sicherheit als bedeutend herausstellt.

Da die einzelnen Bauteile des Lasers nur im Zusammen­spiel funktionieren, arbeiten die Projektpartner von Isabella inhaltlich eng zusammen: So entwickelt das Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit der Firma Vacom Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH den robusten Resonator und baut diesen in einer miniaturisierten Vakuum­kammer auf. Die sensor photonics GmbH stellt die für die Laser nötigen Halbleiterchips her; die Sacher Lasertechnik GmbH setzt die Laser­systeme aus Einzel­komponenten zusammen und koordiniert zudem das Forschungsprojekt.

Das Team rund um Wojciech Lewoczko-Adamczyk vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikro­integration IZM ist für die Fertigstellung photonischer Chips mitsamt der darin enthaltenen Wellenleiter verantwortlich. „Die Optik steht vor einem großen Durchbruch: Noch sind die Aufbauten groß und sensibel. Wenn die einzelnen Komponenten jedoch miniaturisiert und zuverlässig werden, können die Quantentechnologien mit ultrakalten Atomen in Form von transportablen und praxistauglichen Systemen realisiert werden. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Chips mit photonischen Leitern zu entwickeln. Zu diesem Zweck passen wir die optischen Leitungen an die relevanten Wellenlängen von Atomuhren an und integrieren selektive Filter, die die Laser dazu bringen, mit einer bestimmten und sehr schmalen Wellenlänge zu leuchten“, erklärt Lewoczko-Adamczyk.

Zum Projektabschluss Ende 2024 werden die Partner hochintegrierte, kompakte und industriefertige Lasersysteme präsentieren, mit denen sich ultrakalte Atome manipulieren lassen. Zudem gilt es, die Skalierbarkeit für einen kosten­günstigen Einsatz in optischen Uhren zu erforschen.

Fh.-IZM / DE

 

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