20.09.2019 • Nanophysik

Hochempfindliche Sensoren für Herz- und Hirnströme

Energieeffiziente Sensoren für extrem niedrige Frequenzen entwickelt.

Wie das menschliche Gehirn oder das Herz arbeitet, zeigen ihre elektrischen Signale, die zum Beispiel über ein EKG gemessen werden. Aber auch magnetische Signale verraten etwas über die Aktivität dieser Organe. Sie könnten sich mit wenig Aufwand ohne Hautkontakt messen lassen. Für die besonders schwachen Signale braucht es jedoch hoch­empfindliche Sensoren. Forscher der Uni Kiel haben jetzt ein neues Sensor­konzept entwickelt, um in Zukunft diese niedrigen Frequenzen von Herz- und Hirnströmen zu messen. Die extrem kleinen, energie­effizienten Sensoren eignen sich besonders gut für medizinische Anwendungen oder mobile Mikro­elektronik. Möglich wird das durch die Verwendung von Elektreten. Dieses Material ist permanent elektrisch aufgeladen und kommt auch in Mikrofonen für Hörgeräte oder Mobil­telefone zum Einsatz.

Abb.: Beim Anlegen eines Magnetfelds schwingt der Biegebalken (grau) aus. Er...
Abb.: Beim Anlegen eines Magnetfelds schwingt der Biegebalken (grau) aus. Er wird von einem permanent elektrisch aufgeladenen Elektreten (blau) angezogen und vergrößert so seine Schwingung. (Bild: M. Schweichel, CAU)

Biegebalken-Sensoren bestehen aus einem dünnen Silizium-Streifen, auf dem zwei Schichten aufgebracht sind. Die erste reagiert auf Magnet­felder, die zweite kann eine elektrische Spannung abgeben. „Tritt ein Magnetfeld auf, verformt sich die erste Schicht und verbiegt damit den ganzen Balken: Er schwingt, ähnlich wie ein Sprungbrett im Schwimmbad“, erklärt Franz Faupel von der Uni Kiel das Grund­prinzip. Die zweite Schicht gibt durch ihre Verformung ein messbares Spannungs­signal ab. „Mit unserem neuen Sensor­konzept wollten wir diese Umwandlung von mechanische in elektrische Energie noch effektiver gestalten, indem wir dem Biegebalken mehr Schwung verleihen“, erklärt Mitarbeiterin Marleen Schweichel. Je stärker der Balken schwingt, desto stärker das ausgesendete elektrische Signal.

Normalerweise schwingen weiche Materialien wie Kunststoffe mit niedriger Frequenz. Die Schwingung ist also stark gedämpft und das ausgesendete Signal nur sehr gering. Mit harten Materialien lässt sich so eine starke Dämpfung vermeiden. Hierfür wird aber eine größere Material­masse benötigt, die sich in den kleinen Dimensionen der Sensor­technik kaum einbauen lässt. „Mit unserem Ansatz konnten wir einen kleinen Biege­balken aus hartem Material dazu bringen, sich wie ein weiches Material zu verhalten und bei niedrigen Frequenzen zu schwingen – und das sogar noch mit größerer Amplitude“, fasst Rainer Adelung von der Uni Kiel die Besonderheit der Entdeckung zusammen.

Entscheidend war hierfür der Elektret. Dieses permanent elektrisch aufgeladene Material brachte das Forschungsteam unter dem Biege­balken an. Normaler­weise drängt der in Schwingung gebrachte Balken zurück in seine Ausgangs­position. Der Elektret zieht ihn durch seine Eigen­spannung jedoch in die Gegen­richtung und vergrößert damit die Schwingung des Balkens – und damit das elektrische Signal des Sensors. Um dieses Signal möglichst exakt auslesen zu können, integrierte das Forschungs­team in sein alternatives Sensor­konzept außerdem einen neuen Ansatz zur Rausch­unter­drückung. Mit einer extrem schnellen Messung lassen sich gewisser­maßen die einzelnen Signale zwischen dem Rauschen erfassen.

Dank der in den Sensoren verwendeten Elektrete lassen sich nicht nur niedrige Frequenzen besser messen. Ähnlich wie Permanent­magnete, die ohne Strom­ver­sorgung dauer­haft magnetisch sind, erzeugen auch Elektrete ihr permanentes elektrisches Feld selbst. „Der Elektret verleiht dem Sensor damit ein einge­bautes elektrisches Potential. Der Sensor selbst benötigt somit keine externe Strom­ver­sorgung und kann für mobile Anwendungen eingesetzt werden“, erklärt Mitarbeiter Stefan Schröder. „Elektrete funktionieren wie eine Art Nano­generator, der elektrische Energie erzeugt – und das theoretisch über zwanzig Jahre lang“, so Faupel. „Sensoren mit eigener Strom­ver­sorgung in diesen kleinen Dimensionen sind auch spannend für Anwendungen im Bereich ‚Internet of Things‘, die dezentrale, autark arbeitende elektronische Systeme vernetzen“, ergänzt Adelung.

CAU / RK

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