28.07.2022

Große Trauer um Elemententdecker Sigurd Hofmann

Der Physiker war an der Entdeckung der Elemente Darmstadtium, Roentgenium und Copernicium beteiligt.

GSI und FAIR trauern um einen ihrer prominentesten Wissenschaftler. Mit Sigurd Hofmann ist am 17. Juni 2022 im Alter von 78 Jahren einer der weltweit führenden Element­entdecker verstorben. In seiner Zeit als Leiter des Forschungs­bereichs „Schwere Elemente“ gelang die Entdeckung der Elemente Darmstadtium, Roentgenium und Copernicium. In den Jahren zuvor leistete er wesentliche Beiträge zur Synthese der Elemente Hassium, Bohrium und Meitnerium. Ebenso bemerkenswert in seinem wissen­schaftlichen Leben ist die Entdeckung der Protonen-Radioaktivität, die im Jahr 1981 am Geschwindig­keitsfilter SHIP gelang.

Abb.: Auch an der Entdeckung des Elements Darmstadtium war Sigurd Hofmann...
Abb.: Auch an der Entdeckung des Elements Darmstadtium war Sigurd Hofmann maßgeblich beteiligt. (Bild: G. Otto, GSI)

Sigurd Hofmann wurde am 15. Februar 1944 in Böhmisch-Kamnitz, Böhmen, geboren und kam kurz nach Kriegsende nach Groß-Umstadt. Er ging in dort zur Schule und besuchte bis 1963 das dortige Max-Planck-Gymnasium. Anschließend begann er das Physik-Studium an der damaligen TH Darmstadt (heute TU Darmstadt), wo er 1969 das Diplom erlangte und 1974 bei Egbert Kankeleit promoviert wurde. Seine danach bei der GSI in Darmstadt beginnende wissenschaftliche Arbeit füllte ihn fast fünfzig Jahre lang aus. Zuletzt arbeitete er an einem Buch zum aktuellen Stand der weltweiten Schwere-Elemente-Forschung und an der Veröffent­lichung einer Methode zur Energiekalibrierung von Halbleiter-Detektoren, die er bereits in den 1990er Jahren entwickelt hatte – Genauigkeit und wissen­schaftliche Exaktheit waren ihm stets wichtig.

Doch zunächst widmete er sich, nachdem er 1974 zur GSI gekommen war, in der Gruppe von Peter Armbruster und zusammen mit Gottfried Münzenberg der Untersuchung von Fusions­reaktionen und radioaktiven Zerfällen. Inter­nationale Bekanntheit erreichte Sigurd Hofmann durch die 1981 entdeckte Protonen-Radio­aktivität aus dem Grundzustand von Lutetium-151, ein bis dahin unbekannter Zerfalls­mechanismus. Bei der Daten­analyse kam ihm seine ausgeprägte Gründ­lichkeit und wissen­schaftliche Neugier zugute.

Gleichzeitig hatte Sigurd Hofmann mit Arbeiten zur Synthese, zum eindeutigen Nachweis und zur Erforschung der Eigenschaften der schwersten chemischen Elemente begonnen, die sein weiteres wissen­schaftliches Leben prägen sollten. Erste Höhepunkte waren die Synthese der neuen Elemente Bohrium (Bh, Z=107), Hassium (Hs, Z=108) und Meitnerium (Mt, Z=109) in den Jahren 1981 bis 1984, mit denen die GSI erstmalig – und gleichzeitig sehr prominent – das inter­nationale Territorium dieses Forschungs­gebiet betrat. Entscheidend hierbei waren die Halb­leiter-Detektoren, die Sigurd Hofmann eigens dafür entwickelt hatte. Seiner Zeit damit weit voraus, werden solche Detektoren heute weltweit zur Suche nach neuen chemischen Elementen eingesetzt.

Ende der 1990’er Jahre übernahm Sigurd Hofmann die Leitung der Schwere-Elemente-Gruppe und – nach instrumentellen Verbesserungen am GSI-Linear­beschleuniger UNILAC, dem Geschwindig­keitsfilter SHIP, weiteren Detektoren sowie der Nachweiselektronik – krönte er seine wissenschaftlichen Erfolge mit der Entdeckung der chemischen Elemente Darmstadtium (Ds, Z=110), Roentgenium (Rg, Z=111) und Copernicium (Cn, Z=112) in den Jahren 1994 bis 1996. Das Konzept „SHIP-2000“, ein unter seiner Federführung entstandenes Strategie­papier aus dem Jahr 1999 zur lang­fristigen Schwere-Elemente-Forschung bei GSI, ist heute noch aktuell. Im Jahr 2009 wurde er zum Helmholtz-Professor ernannt und konnte sich fortan wieder ganz der wissen­schaftlichen Arbeit widmen. Über viele Jahre pflegte er eine sehr intensive Zusammenarbeit und wissen­schaftlichen Austausch mit den inter­nationalen Kollegen in Dubna, wo er in einem gemeinsamen Experiment Mitentdecker von Element Flerovium (Fl, Z=114) war.

Für seine heraus­ragenden Forschungs­arbeiten und Erkenntnisse erhielt er eine große Anzahl von renommierten Auszeich­nungen und Preisen, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden können. So war er seit 1996 Ehrendoktor der Fakultät für Mathematik und Physik der Comenius-Universität in Bratislava (Slowakei), seit 1998 Honorarprofessor der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, seit 2001 Dr. h. c. des Joint Institute for Nuclear Research (JINR) in Dubna und seit 2004 Professor Laureatus der Josef-Buchmann-Stiftung der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er erhielt 1984 den Physikpreis der Deutschen Physi­kalischen Gesellschaft zusammen mit Gottfried Münzenberg, Willibrord Reisdorf und Karl-Heinz Schmidt, 1996 den Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt am Main zusammen mit Gottfried Münzen­berg, 1997 den G.N. Flerov Preis des Joint Institute for Nuclear Research (JINR) in Dubna und 1998 die SUN-AMCO Medaille der Inter­national Union of Pure and Applied Physics; im Jahr 2011 erhielt er die Nikolaus-Kopernikus-Medaille der Polnischen Akademie der Wissen­schaften in Warschau und 2011 die Medaille der Stadt Toruń und Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń.

Sigurd Hofmann war ein fleißiger Schreiber und Redner. Er war eingeladen als Sprecher bei unzähligen inter­nationalen Konferenzen, verfasste eine große Anzahl von Übersichts­artikeln, Büchern und Buchkapiteln, von vielen vielzitierten Veröffent­lichungen. Ebenso hielt er gerne populär­wissenschaftliche Vorträge bei öffentlichen Anlässen, u.a. als „Bekennender Heiner“ in der Darmstädter Ziegelhütte. Dabei konnte er ein mitreißendes Bild der modernen Physik, aber auch der großen Frage­stellungen der Kosmologie und der Element­synthese in Sternen entwickeln, ebenso konnte er sehr anschaulich vermitteln wie man Atome „sichtbar“ machen kann. Viele Kapitel seines zeit­genössischen wissen­schaftlichen Lebens sind in seinem 2002 erschienenen Buch „On Beyond Uranium“ festgehalten.

Bemerkenswert waren seine Bescheidenheit und sein freund­liches Wesen. Man konnte sich stets auf ihn verlassen. Seine Sorgfalt, Genauigkeit und Umsicht bei allen Arbeiten waren heraus­ragend. Seine Beharr­lichkeit war eine der Grundlagen für die bahn­brechenden wissen­schaftlichen Erfolge, die er für GSI erzielte. Stets war er im Büro oder am Experiment anzutreffen, auch spät am Abend und an Wochenenden, so dass man ihn jederzeit fragen und immer ausführ­liche Antworten und kompetenten Rat erhalten konnte. Es gab in der Kernphysik und bei GSI quasi nichts, was er nicht wusste.

Wir freuen uns, dass wir über so lange Jahre mit einem exzellenten Wissen­schaftler und Kollegen sowie einem hervor­ragenden Lehrer und großartigen Menschen zusammen­arbeiten durften. Nun trauern wir um Sigurd Hofmann. Seiner Familie gilt unser tiefes Mitgefühl. Wir werden ihn in bester Erinnerung behalten.

GSI / JOL

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