20.01.2023

Große Lücke bei der Emissionsminderung

Studie empfiehlt drastische Steigerung der negativen Kohlendioxid-Emissionen.

Neben raschen Emissions­minderungen ist auch die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre nötig, um das Temperaturziel des Pariser Abkommens zu erreichen: die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstren­gungen zur Begrenzung auf 1,5 Grad zu unternehmen. Dies zeigt der erste Bericht zum Stand der CO2-Entnahmen, der mehr als zwanzig Fachleute auf diesem Gebiet vereint. Er wurde geleitet von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford und mit­geleitet von dem in Berlin ansässigen Klimaforschungs­institut MCC – Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.

Abb.: Erste Ausgabe des Berichts über die CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre....
Abb.: Erste Ausgabe des Berichts über die CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre. (Bild: SoCDR)

„Derzeit ist wichtiges Wissen zu CO2-Entnahmen weit verstreut und schwer zugänglich“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeits­gruppe Angewandte Nachhaltigkeits­forschung. „Der Stand von Forschung, Entwicklung und Politik ist hier ähnlich rückständig wie der zu erneuerbaren Energien vor 25 Jahren. Für gute Entscheidungen und schnelleren Fortschritt braucht es angemessene einschlägige Daten. Dieser Bericht wird helfen, diese Situation innerhalb der Fachwelt Schritt für Schritt zu verbessern.“ Laut dem Bericht basiert fast die gesamte derzeitige CO2-Entnahme auf konventionellen landgestützten Methoden (zwei Gigatonnen CO2 pro Jahr), vor allem durch Aufforstung und Boden-Bewirt­schaftung. Die Welt muss das fortsetzen und ausbauen: auf dem 1,5-Grad-Pfad bis 2050 verdoppeln gegenüber 2020, auf dem Zwei-Grad-Pfad um die Hälfte steigern.

Schon das ist mit Blick auf das wärmere Klima sehr schwer und braucht gezielte politische Steuerung. Aber praktisch alle Pfade erfordern auch neue Entnahme­technologien, wie Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS), Biokohle, beschleunigte Verwitterung sowie Direkt­abscheidung von CO2 aus der Luft und Speicherung (DACCS). Auf all dies entfällt nur ein winziger Teil der derzeitigen Entnahme (0,002 Gigatonnen CO2 pro Jahr). Zum Schließen der Lücke ist ein schnelles Wachstum dieser neuen Techno­logien nötig, um das 1300-Fache bis 2050.

„Um die Erwärmung auf zwei Grad oder weniger zu begrenzen, müssen wir die Emissions­reduzierung beschleunigen“, sagt Steve Smith von der Smith School of Enterprise and Environment der Uni Oxford. „Doch der Bericht zeigt eindeutig: Wir müssen auch die CO2-Entnahme erhöhen, indem wir Ökosysteme restaurieren und stärken und neue Entnahme­methoden rasch hoch­skalieren. Viele Methoden haben Potenzial. Statt uns auf eine oder zwei zu fokussieren, sollten wir ein Portfolio fördern, damit wir schnell auf netto null kommen, ohne uns zu sehr auf eine einzige Methode zu verlassen.“ 

CO2-Entnahme ist kein Allheilmittel, Pfade mit zwei Grad oder weniger Erwärmung implizieren zusätzlich auch drastische Emissions­minderung. Laut dem Bericht können schnelle Minderung und effizientere Energie­nutzung die Abhängigkeit von Entnahme begrenzen. Das in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erforderliche Volumen ist nur denkbar mit erheb­lichem Aufbau in den nächsten zehn Jahren, in der Aufbauphase der neuartigen CO2-Entnahmen. „Innovation in diesem Bereich nahm in den letzten zwei Jahren dramatisch zu, gemessen an Investi­tionen in Kapa­zitäten, öffentlich finanzierter Forschung und Patenten“, sagt Gregory Nemet von der La Follette School of Public Affairs der University of Wisconsin-Madison. „Angesichts der Größen­ordnung, die die CO2-Entnahme-Industrie bis Mitte des Jahrhunderts erreichen muss, besteht jedoch dringender Bedarf an umfassender politischer Anschub­hilfe.“

Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagt: „CO2-Entnahme ist kein Kann, sondern ein Muss, um das Temperatur­ziel des Paris-Abkommens zu erreichen. Gut 120 Regierungen haben ein Netto-Null-Emissionsziel, was CO2-Entnahme voraus­setzt, aber nur wenige haben umsetzbare Pläne für deren Entwicklung – das ist ein großes Manko.“ Künftig wird der Bericht regelmäßig Fachleute aus Forschung, Politik und Anwendung über den Stand der Dinge informieren. Dazu werden die großen Datenmengen und Entwick­lungen in vielen Teilen der Welt systematisch erfasst und analysiert.

MCC / JOL

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