16.11.2018

Geheimnisse der Planetenentstehung

Das Studium protoplanetarer Scheiben und des Kometen "Tschuri" liefert in Kombination mit Laborexperimenten Erkenntnisse über die Entstehung von Planeten.

Wir leben in einem goldenen Zeitalter, zumindest, was die Erkundung des Universums betrifft. Die astronomischen Instrumente werden nicht nur immer größer, sodass wir tiefer ins All blicken können als jemals zuvor, sondern wir haben mittlerweile alle Bereiche des elektromagnetischen Spektrums für die Astronomie erschlossen. Interferometer, Weltraumteleskope oder adaptive Optik erlauben feinste Einblicke in die kosmischen Objekte.

Zur Interpretation dieser Beobachtungen nutzt die Astrophysik immer detailliertere numerische Modelle, die dank der revolutionären Entwicklung im Bereich der Computertechnik heute auf vielen Gebieten der Astrophysik tiefe physikalische Einsichten ermöglichen. Hinzu kommen Erkenntnisse, welche die Forscher durch Experimentieren im Labor gewonnen haben, um damit Daten für die Interpretation von Beobachtungen zu gewinnen und physikalische Prozesse aufzuspüren, die im Kosmos eine Rolle spielen könnten.

Aber erst das Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen Beobachtung, Theorie und Labor liefert tiefere Einsichten ins kosmische Geschehen. Ohne immer detailliertere Beobachtungen gäbe es keine Bestätigungen oder Widerlegungen von Theorien, ohne Theorie keine physikalischen Einblicke in das oft komplexe Zusammenspiel in der unbelebten Natur, ohne Experimente keine empirischen Daten, auf die sich Theorie und Beobachtung bei der Interpretation ihrer Erkenntnisse stützen könnten. Die in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit beschriebenen instrumentellen Fortschritte bei der Beobachtung von protoplanetaren Scheiben sowie von Kometenstaub verdeutlichen dies.

Protoplanetare Scheiben von (v.l.n.r.): PDS 70 (mit einem möglichen Protoplaneten bei 16 Uhr), HD 135344B, HL Tauri, IM Lupi (ESO, A. Müller et al./ESO, T. Stolker et al./ALMA, ESO, NAOJ, NRAO/ESO H. Avenhaus et al. DARTT-S Coll.)

Aus theoretischen Überlegungen wissen wir, dass die in allen protoplanetaren Scheiben vorhandenen, mikroskopisch kleinen Staubpartikel miteinander zusammenstoßen müssen. Laborexperimente haben gezeigt, dass unter den modellierten Bedingungen die Staubteilchen anfänglich aneinander haften und somit lockere Agglomerate bilden sollten. Allerdings zeigen die Versuche im Labor auch, dass dieses Wachstum nur bis in den Zentimeterbereich voranschreiten sollte: Mit zunehmender Größe nimmt auch die Kollisionsgeschwindigkeit zu, was irgendwann zum Ausbleiben des Haftens oder sogar zur gegenseitigen Zerstörung der Teilchen führen muss. Mit verbesserten Beobachtungstechniken und neu erschlossenen Wellenlängenbereichen konnten die Astronomen eindrucksvoll zeigen, dass die vorhergesagten zentimetergroßen Teilchen wirklich in protoplanetaren Scheiben vorkommen.

Über das weitere Wachstum bis in einen Größenbereich von mindestens einem Kilometer, oberhalb dessen die Planetenentstehung rein gravitativ voranschreitet, wird heftig diskutiert. Ein Modell sagt vorher, dass kilometergroße Planetesimale dennoch durch Stöße entstehen, bei denen aber immer deutlich kleinere Körper auf größere treffen, sodass letztere nicht zerbrechen können. Eine alternative Theorie konnte zeigen, dass sich Planetesimale auch dadurch bilden können, dass die zentimetergroßen Staubklumpen durch einen hydrodynamischen Effekt räumlich in der Scheibe so lange konzentriert werden, bis sie unter ihrer gemeinsamen Schwerkraft sanft kollabieren. Sogenannte Staubfallen in den protoplanetaren scheiben könnten einen Beitrag zu diesem Szenario liefern, indem sie die Bedingungen für die erwähnte hydrodynamische Instabilität schaffen.

Nach ersten Auswertungen der Ergebnisse der Rosetta-Mission vermutet die Forschung, dass der Komet Tschurjumow-Gerassimenko ein aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems übrig gebliebenes Planetesimal oder ein intaktes Bruchstück davon ist. Die Untersuchung seiner Bestandteile liefert also wichtige Informationen über die Bausteine der Planetesimale.

Zukünftige Laborexperimente müssen sich an den Erkenntnissen von Rosetta orientieren. Und vielleicht steckt in diesen Beobachtungen noch ein verborgener Schatz, der uns früher oder später die Entstehung der Planetesimale verstehen lässt.

Jürgen Blum, TU Braunschweig

Dieses Editorial der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit kommentiert zwei Artikel über die Beobachtung und Analyse von protoplanetaren Scheiben sowie Erkenntnisse aus der Rosetta-Mission über die Geburt des Sonnensystems (beide nur frei mit Online-Abo).

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