25.05.2021 • Materialwissenschaften

Fünfeinhalb Minuten Schwerelosigkeit für Experimente

Erfolgreicher Start der Höhenforschungsrakete MAPHEUS-11.

Am 24. Mai haben sich drei Experimente des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt auf ihre kurze Reise in die Schwere­losig­keit und wieder zurück begeben. Vom European Space and Sounding Rocket Range im Norden Schwedens brachte die DLR-Höhen­forschungs­rakete MAPHEUS-11 die material­wissen­schaft­lichen Experimente MARS, X-RISE und SOMEX bis auf eine Höhe von 221 Kilometern. In der knappen Viertel­stunde zwischen Start und Landung vollführte die Nutzlast nach dem Abtrennen der Booster eine Höhen­parabel. Diese ermöglichte fünfeinhalb Minuten Schwere­losig­keit, um die Experimente durch­zu­führen. Nach dem Flug wurden die Experimente per Helikopter geborgen.

Abb.: Start der DLR-Höhen­for­schungs­rakete MAPHEUS-11. Sie er­reichte...
Abb.: Start der DLR-Höhen­for­schungs­rakete MAPHEUS-11. Sie er­reichte eine Flug­höhe von 221 Kilo­metern. (Bild: DLR; CC-BY 3.0)

In der Schwerelosigkeit konnte unter anderem die Anwendung eines pulver­förmigen 3D-Druck­ver­fahrens erfolgreich getestet werden. Beim der additiven Fertigung wird pulver­förmiges Material Schicht für Schicht aufgetragen, bis ein drei­dimen­sio­nales Bauteil entsteht. Im Gegensatz zu konven­tio­nellen Verfahren, bei denen zum Beispiel ein Teil aus einem Block heraus­gefräst wird, hat der 3D-Druck einige Vorteile: Er ist flexibel und schnell, es lassen sich sehr komplexe Formen realisieren und es fallen wenig Material­reste an. „Diese Vorteile machen additive Fertigungs­verfahren auch für Raum­fahrt­anwendungen in reduzierter Schwerkraft, etwa auf dem Mond oder Mars, interessant oder in Schwere­losig­keit während eines Raumflugs“, erklärt Andreas Meyer vom DLR-Institut für Material­physik im Weltraum. Die wenigen Minuten Experi­men­tier­zeit während des Flugs haben ausgereicht, um ein erstes kleines Bauteil zu drucken.

„Das Experiment MARS ist eine Premiere auf diesem Gebiet. Wir schaffen die Grundlagen, damit später Weltraum­missionen größere Teile herstellen können. In Zukunft könnte man die benötigten Strukturen erst vor Ort im All fertigen, zum Beispiel auf Orbital­platt­formen, und so den Transport­aufwand von der Erde in den Weltraum erheblich senken“, so Meyer. Im Fokus des Experiments MARS stehen spezielle Metall­legierungen. Aus ihnen lassen sich Bauteile mit sehr vorteil­haften Eigen­schaften herstellen. Dazu zählen vor allem sehr hohe Festigkeit und Korrosions­beständigkeit. Für den Flug auf MAPHEUS-11 hat das DLR-Institut basierend auf einem neuen Verfahren der Bundes­anstalt für Material­forschung- und -prüfung eine kompakte Raketen­nutzlast entwickelt. Diese führte den additiven Fertigungs­prozess in der Schwere­losig­keit während des Flugs voll­auto­matisiert durch.

Mit Hilfe des Experiments X-RISE wollen die DLR-Forscher die grund­legenden Prozesse der Diffusion in metallischen Flüssig­keiten verstehen. Zwei miniatu­ri­sierte Scherzellen-Öfen schmelzen dazu Aluminium-Germanium- und Aluminium-Indium-Legierungen auf. Eine spezielle Röntgen­anlage nimmt dann während des Diffusions­prozesses Bilder in Echtzeit auf. Mit Hilfe dieser Aufnahmen können die Wissen­schaftler die Bewegung der Atome in den flüssigen Metallen unter­suchen.

 

„Diffusion ist ein wichtiger Parameter für viele Vorgänge in der Material­wissen­schaft, unter anderem beim Berechnen von Bauteilen. Auf der Erde stören oft schwer­kraft­getriebene Strömungen die Experimente zur Diffusion. In der Schwere­losig­keit bekommen wir dagegen ein unver­fälschteres Bild der Vorgänge“, erklärt Meyer. Das Experiment X-RISE war bereits zum fünften Mal auf MAPHEUS im Einsatz.

Mit SOMEX hat das DLR-Institut eine universelle Plattform entwickelt, um weiche Materie in Schwere­losig­keit zu unter­suchen. Mit SOMEX ist es dem DLR-Team erstmals gelungen, einen Experiment­aufbau zu realisieren, der trotz seines kleinen Volumens viel Platz und die Möglichkeit bietet, Experimente mit einer ganzen Reihe an optischen Methoden zu unter­suchen. Das SOMEX-Modul ist druckdicht und für mehrere Flüge ins All ausgelegt. Zudem können die teilweise sehr empfind­lichen Proben mittels des eigens entworfenen Schnell­ver­schlusses einfach und bis kurz vor Start ins Modul integriert werden.

Im ersten Flug auf MAPHEUS-11 kamen statische und dynamische Licht­streuung, sowie differen­zielle dynamische Mikroskopie zum Einsatz. Ein Epifloures­zenz-Mikroskop ist in Entwicklung. Damit eröffnet SOMEX breite Anwendungs­möglich­keiten. Auf dem erfolg­reichen SOMEX-Erstflug konnten Experimente zum grund­legenden Verständnis der Streuphysik granularer Materie durch­geführt werden. Außerdem wurde die Dynamik in einem Modell­system für selbst­ange­triebene Mikro­schwimmer unter­sucht. „Im Erdlabor verfälschen Auftriebs- und Sedimenta­tions­effekte die Ergebnisse stark. Im Vergleich mit theoretischen Vorher­sagen ermög­lichen die SOMEX-Experimente in beiden Fällen neue Erkenntnisse über die Struktur und Dynamik solcher Systeme“, betont Meyer.

DLR / RK

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