03.06.2022 • Energie

Fraunhofer-IT-Plattform synchronisiert Stromangebot und -nachfrage

Im Rahmen des Kopernikus-Projekts SynErgie entwickeln Forscher eine Energie-Synchronisations-Plattform.

Bereits Mitte dieses Jahrhunderts soll Deutschland weitest­gehend klima­neutral sein. Doch die zunehmende Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen führt aufgrund der Wetter­abhängig­keit zu einem immer volatileren Stromangebot. Damit das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Stromsystem jederzeit gewähr­leistet werden kann, sind Maßnahmen zum Ausgleich dieser Schwankungen notwendig. Energie­intensive Industrie­prozesse beinhalten ein hohes Flexibilitäts­potenzial, um diesen Schwankungen durch Veränderungen der Stromnachfrage zu begegnen. Im Kopernikus-Projekt SynErgie mit mehr als neunzig Partnern arbeiten derzeit 18 Partner aus Industrie und Forschung an einer Energie­synchronisations­plattform, mit der sich der Energiebedarf der einzelnen Industrie­unternehmen effektiv mit dem volatilen Energieangebot synchronisieren lässt.

Abb.: Autonome Roboter als Zwischen­speicher in der Produktion. (Bild: Fh.-IPA)
Abb.: Autonome Roboter als Zwischen­speicher in der Produktion. (Bild: Fh.-IPA)

Mit dieser Plattform sollen künftig Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden, der komplette Prozess des Energie­flexibilitäts­handels von der Maschine bis an die Märkte soll mittels der IT-Plattform und ihrer Services automatisiert und standardisiert sowie in einer Referenz­architektur abgebildet werden. Digitale Services, die auf der Plattform laufen, greifen auf die Daten von System oder Anlagen der Unternehmen zu und bestimmen den bedarfs­gerechten Einsatz verschiedener Flexibilitäts­maßnahmen, die zur Verfügung stehen. Abschluss der Entwicklungen an der Referenz­architektur ist für Ende 2022 geplant. Diese sollen mit zahlreichen Forschungs- und Industrie­demonstratoren, insbesondere in der energie­flexiblen Modellregion Augsburg, im Testbetrieb erprobt werden.

Zahlreiche Fragen werden mit der Energie­synchronisations­plattform adressiert: Wie ist das derzeitige Stromangebot auf dem Markt – gibt es Mängel oder Überschüsse? Wie werden sich die Strompreise entwickeln? Wie lange und wie schnell muss reagiert wer-den? Welches Unternehmen kann gerade einspringen, um diesen Mangel oder Über-schuss auszugleichen? Für diesen Abgleich zwischen Flexibilitäts­angebot und -nachfrage ist eine intelligente Steuerung notwendig.

Die Energie­synchronisation­plattform besteht aus zwei Teil­platt­formen, einer Markt- und einer Unternehmens­plattform. Letztere kann die einzelnen Energie­flexibilitäten eines Unternehmens erfassen, verwalten und aggregieren. Sie informiert das Unternehmen, wie es seine Flexibilität am Markt nutzen kann, um günstig Energie einzukaufen oder zu verkaufen, wenn es sie bereits erworben hat.

Die Marktplattform wiederum sorgt als Service­vermittler dafür, dass Unternehmen auf der Suche nach Flexibilität mit dem Angebot zusammen­kommen. Aggregatoren können sich beispiels­weise auf der Markt­plattform registrieren und ihr Interesse melden, Flexibilitäten einzukaufen oder zu verkaufen. Die Markt­plattform vermittelt dann die Unternehmens­flexibilitäten an die Flexibilitäts­vermarkter. Und diese wiederum verkaufen die Flexibilität an der Energiebörse. Die Energie­synchronisations­plattform ist also keine Energie­handels­plattform, auf der energetische Flexibilitäten gehandelt werden. Vielmehr vermittelt sie zwischen den Händlern an den Energiebörsen und den Unternehmen, die Flexibilität bereit­stellen können.

Eine entscheidende Rolle spielen digitale Services, die den bedarfs­gerechten Einsatz der Energie regeln und helfen, Stromverbrauch zu senken. Mit dem Batterie­einsatz­optimierungs­service haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktions­technik und Automati­sierung bereits einen dieser Dienste auf der Unternehmensplattform realisiert – er läuft bereits im Testbetrieb. Mit ihm können Industrie­betriebe Verbrauchs-Lastspitzen vermeiden: Produktions­unternehmen haben einen hohen Stromverbrauch, vor allem wenn alle Maschinen gleichzeitig im Einsatz sind, steigt der Stromverbrauch sprunghaft an. Diese Lastspitzen, auch Peaks genannt, können für einen Betrieb teuer werden, denn die Strom­anbieter verwenden genau diese Spitzenwerte, um den Leistungspreis zu berechnen. Bei Überschreitung werden zusätzliche Gebühren fällig.

In vielen Unternehmen gibt es fahrerlose Transport­fahrzeuge, die mit leistungs­fähigen Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet sind. Diese Batterien lassen sich nutzen, um Verbrauchs-Peaks zu vermeiden. Dafür muss man die autonomen Roboter nur bei steigendem Strombedarf zu den Ladestationen rufen und überschüssige Ladung ins unternehmens­eigene Netz einspeisen.

Die Betriebe müssen den Strom nicht mehr vom Anbieter beziehen, die Batterie der autonomen Roboter wird zum Energie­lieferanten. Man nennt das auch bidirek­tio­nales Laden. Der digitale Service funktioniert bereits, Unternehmen erhalten zuverlässige Prognosen, wieviel Geld sie sparen können. Einziges Manko: Derzeit fehlt noch die komplette Hardware inklusive der Ladestationen.

FG / RK

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