21.05.2014

Forscherdrang mit Gewissen

Vor 50 Jahren starb der Physik-Nobelpreisträger James Franck (1882 – 1964).

„Ich erinnere mich noch gut an seine berühmte Vorlesung am 22. Mai 1914 ‚Über die Anregung der Quecksilber-Resonanz-Linie 2535 Angström durch die Einwirkung von Elektronen‘, in der er über seine Arbeit mit Gustav Hertz berichtete. Sie war eine starke Stütze für Bohrs neue Theorie des Atoms. Einstein sagte zu mir: ‚Es ist so schön, dass man weinen möchte‘“, schreibt Lise Meitner in ihrem Nachruf auf James Franck, der vor 50 Jahren am 21. Mai 1964 starb. Der Vortrag fand an Heinrich Rubens Physikalischen Institut in Berlin statt, wo Franck drei Jahre zuvor Privatdozent geworden war. Das Franck-Hertz-Experiment war deshalb so bedeutend, weil seit Plancks Quantenhypothese im Jahr 1900 kaum etwas darüber bekannt war, wie diese mit der inneren Struktur der Atome und Moleküle zusammenhing.

Franck und Hertz experimentierten mit Quecksilberdampf in einer Kathodenstrahlröhre. Sie beobachteten Stöße der Quecksilberatome mit dem Elektronenstrahl, dessen Energie sie kontinuierlich erhöhten. Dabei zeigte sich, dass die Energie der Elektronen bei bestimmten Werten absorbiert wurde, und interpretierten dies so, dass sie dann gerade groß genug war, um ein Elektron aus der Atomschale der Quecksilberatome anzuregen. So lieferten Franck und Hertz ein halbes Jahr nach der Publikation von Bohrs Atommodell den ersten direkten experimentellen Beweis für diskrete Energiezustände der Elektronen in Atomen. Dafür wurden sie mit dem Nobelpreis des Jahres 1925 ausgezeichnet.

1920 erhielt James Franck seine erste Professur in Göttingen. Ein Jahr später wurde auch der Theoretiker Max Born dorthin berufen und es begann ein fruchtbarer Austausch zwischen Theorie und Experiment. Während dieser Zeit erlangte die Universität Göttingen den Ruf eines weltberühmten Zentrums für Quantenphysik. Zu Francks Schülern gehörten unter anderem Edward Condon, Hans Kopfermann, Werner Kroebel, Hans Maier-Leibnitz, Friedrich Hund, Robert Oppenheimer und der spätere Nobelpreisträger Patrick M. S. Blackett. Mit Edward Condon untersuchte Franck die Intensitätsverteilung innerhalb der Spektrallinien eines Molekülspektrums (Franck-Condon-Prinzip). Er war wegen seines herzlichen und informellen Umgangs bei den Studenten sehr beliebt. Sein Labor war bekannt für offene und lebhafte wissenschaftliche Diskussionen. „Sobald er sich mit einem Problem zu beschäftigen begann, war er vollkommen gefangen, ja besessen davon“, erinnert sich Lise Meitner.

James Franck (2. v. r.) 1923 im Kreise seiner Göttinger Kollegen (v.l.) Max Reich, Max Born und Robert Wichard PohI (Foto: Wikipedia)

 
Seiner fruchtbaren Göttinger Periode setzte James Franck 1933 mit einem Akt der Zivilcourage selbst ein Ende, als die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erließen. Als Sohn eines tief gläubigen Juden sagte Franck zwar über sich selbst, die Wissenschaft sei sein Gott und die Natur seine Religion, aber er war stolz auf sein jüdisches Erbe. Obwohl er von dem judenfeindlichen Gesetz zunächst nicht betroffen war, weil er als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte und für seine Tapferkeit ausgezeichnet worden war, legte er sein Amt als Professor nieder. In seinem Brief an den Rektor der Universität, der auch im Göttinger Tagblatt veröffentlicht wurde, beklagte er „Deutsche jüdischer Abstammung werden als Fremde und Feinde des Vaterlandes behandelt“. Er wollte nicht dazu gezwungen sein, jüdische Kollegen und Mitarbeiter zu entlassen.

Obwohl er ursprünglich vorhatte, weiter in Deutschland zu arbeiten, ging er im Herbst 1933 für ein Jahr als Gastprofessor an die Johns Hopkins University und ein weiteres Jahr zu Niels Bohr nach Kopenhagen. 1935 wurde er dann Professor an der Johns Hopkins University und wechselte 1938 an die University of Chicago. Zur gleichen Zeit arbeitete dort Enrico Fermi an einem Reaktor. Ein Tag, bevor Fermi die erste kontrollierte Kettenreaktion mit Uran gelang, trat James Franck in das Manhattan-Projekt ein – als Leiter des „Metallurgical Laboratory“. Wie viele andere deutsche Emigranten wollte er verhindern, dass Hitler die Atombombe zuerst entwickelte und einsetzte. Er machte sich aber zusammen mit anderen führenden Wissenschaftlern Sorgen darüber, dass die Menschheit ethisch und politisch noch nicht reif dafür war, weise Gebrauch von der atomaren Macht zu machen.

Im „Franck-Report“ an Kriegsminister Henry Stimson argumentierten die Forscher, bevor die Bombe gegen Japan eingesetzt würde, sollte ihre Wirkung vor Repräsentanten der Vereinten Nationen demonstriert werden. Sie hofften, Japan würde daraufhin kapitulieren. Ebenso warnten sie in dem Bericht vor einem nuklearen Wettrüsten. Es würde eine internationale Einigung über die Kontrolle von Kernwaffen verzögern. Dass Stimson den Bericht nicht an Präsident Truman weiter gab, lag daran, dass drei der führenden Wissenschaftler in Los Alamos, Enrico Fermi, Ernest Lawrence und Robert Oppenheimer, erklärten, sie sähen keine akzeptable Alternative zum militärischen Einsatz der Bombe. Trotz seiner Enttäuschung setzte James Franck sich auch in späteren Jahren für die Kontrolle von Kernwaffen ein.

Franck kehrte zwar nach dem Krieg nicht nach Deutschland zurück, aber er war bereit, seine persönlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Kontakte mit seinem Heimatland wieder aufzunehmen. 1951 ehrte ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit der Max-Planck-Medaille und 1957 nahm er die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg an, wo er seine ersten Studienjahre verbracht hatte. 1953 wurde er Ehrenbürger der Stadt Göttingen. Hier starb er auch während eines Besuchs am 21. Mai 1964 im Alter von 81 Jahren.

In ihrem Nachruf schrieb Lise Meitner: „Seine Freundlichkeit und Großzügigkeit nicht nur gegenüber seinen Freunden und der Familie, sondern gegenüber jedem, der seiner Hilfe bedürfte, waren allen bekannt […]. Er war einer der liebenswertesten Menschen, weil er Menschen liebte; Freundlichkeit leuchtete in seinen Augen.“

Anne Hardy

Anmerkung: Die Übersetzung der englischen Zitate aus dem Nachruf Lise Meitners [Nature 203, 916 (1964)] sind von der Verfasserin.

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