03.01.2023 • Materialwissenschaften

Formänderung auf Knopfdruck

Programmierbare Materialien können komplette Systeme aus Sensoren, Reglern und Aktuatoren ersetzen.

Programmierbare Materialien sind Formwandler: Auf Knopfdruck ändern sie kontrolliert und reversibel ihre Eigenschaften und passen sich selbstständig an neue Gegebenheiten an. Einsatzbereiche sind beispielsweise bequemes Sitzen oder Matratzen, die das Wundliegen verhindern. Dabei verformt sich die Unterlage so, dass die Auflagefläche groß ist und sich der Druck auf die Körperteile dadurch verringert. Forscher des Fraunhofer-Cluster of Excellence Programmierbare Materialien CPM entwickeln solche programmierbaren Materialien und bringen sie gemeinsam mit Industriepartnern zur Marktreife. Ziel ist es unter anderem, den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren.

Abb.: Aufbau des Materials aus vielen Zellen (Mitte) und 3D-gedruckter...
Abb.: Aufbau des Materials aus vielen Zellen (Mitte) und 3D-gedruckter Demonstrator (rechts; Bild: Fh.-IWM)

Doch wie lassen sich Materialien überhaupt programmieren? „Wir haben grundsätzlich zwei Stellschrauben: das Grundmaterial – im Falle der Matratzen thermoplastische Kunststoffe, für andere Anwendungen metallische Legierungen, auch Formgedächtnislegierungen – und insbesondere die Mikrostruktur“, erläutert Heiko Andrä vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik, einem der Kerninstitute des Fraunhofer-CPM. „Die Mikrostruktur der Metamaterialien setzt sich aus einzelnen Zellen zusammen, die wiederum aus Strukturelementen wie kleinen Balken und dünnen Schalen bestehen.“

Während die Größe der einzelnen Zellen und ihrer Strukturelemente bei herkömmlichen zellulären Materialien wie Schäumen zufällig variiert, ist sie bei den programmierbaren Materialien zwar auch variabel, jedoch genau festgelegt – sprich programmiert. Diese Programmierung erfolgt beispielsweise so, dass Druck an einer bestimmten Position zu gewünschten Formänderungen an anderen Stellen der Matratze führt, um etwa die Auflagefläche zu vergrößern und die Körperzonen optimal zu stützen.

Welche Formänderung das Material aufweisen soll und auf welche Reize es reagiert – mechanische Belastung, Wärme, Feuchte oder auch ein elektrisches oder magnetisches Feld – lässt sich ebenfalls über die Wahl des Materials sowie seine Mikrostruktur bestimmen. „Die programmierbaren Materialien ermöglichen es, Gegenstände an die jeweilige Anwendung oder Person anzupassen und die Dinge somit multifunktionaler zu nutzen als bisher. Sie müssen also nicht so oft ausgetauscht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Ressourcenverbrauchs ist das interessant“, sagt Franziska Wenz vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, ebenfalls eines der Kerninstitute des Fraunhofer-CPM. Zudem lässt sich ein Mehrwert schaffen, in dem man Gegenstände an die individuellen Bedürfnisse der Nutzer anpasst.

Ein einzelnes Material kann komplette Systeme aus Sensoren, Reglern und Aktuatoren ersetzen. Das Ziel des Fraunhofer-CPM ist durch Integration der Funktionen in das Material die Komplexität von Systemen zu senken und den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren. „Wir haben bei der Entwicklung der programmierbaren Materialien stets das industrielle Produkt mit im Blick, so berücksichtigen wir unter anderem die Serienfertigung und die Materialermüdung“, sagt Wenz. Auch laufen bereits erste konkrete Pilotprojekte mit Industriepartnern.

Das Forscherteam erwartet, dass die programmierbaren Materialien zunächst einzelne Komponenten in bereits bestehenden Systemen ersetzen werden oder in speziellen Anwendungen genutzt werden – etwa bei medizinischen Matratzen, Sitzen, Schuhsohlen und Schutzbekleidung. „Schrittweise könnte sich dann der Anteil an programmierbaren Materialien erhöhen“, so Andrä. Schließlich lassen sich diese überall einsetzen – sowohl in Medizin- und Sportartikeln, in der Softrobotik wie auch in der Weltraumforschung.

FG / RK

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