30.11.2020

Fast wie auf der Venus

Neue Erkenntnisse über die Erdatmosphäre vor 4,5 Milliarden Jahren.

Sähe die Welt heute so aus wie vor viereinhalb Milliarden Jahren, wäre sie kaum wieder­zuerkennen. Anstelle von Wäldern, Bergen und Ozeanen war die Oberfläche unseres Planeten damals vollständig von Magma bedeckt, dem geschmolzenen Gesteins­material, das beim Ausbruch von Vulkanen an die Oberfläche kommt. In diesem Punkt sind sich Wissen­schaftler heute einig. Unklar ist hingegen, wie die Atmosphäre zu jener Zeit aussah. Neue Untersuchungen unter der Leitung von Paolo Sossi von der ETH Zürich bringen nun einige der Geheimnisse der Uratmosphäre ans Licht. 

Abb.: Künst­lerische Darstellung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren und...
Abb.: Künst­lerische Darstellung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren und heute. (Bild: T. Stierli / NFS PlanetS)

„Vor 4,5 Milliarden Jahren tauschte das Magma ständig Gase mit der Atmo­sphäre aus“, erklärt Paolo Sossi. „Die Luft und das Magma beeinflussten sich dabei gegenseitig. Untersucht man das eine, lernt man auch etwas über das andere.“ Um die Uratmosphäre der Erde besser kennenzulernen, stellten die Forscher im Labor ihr eigenes Magma her. Dazu mischten sie ein Pulver, das der Zusammen­setzung des geschmolzenen Erdmantels entspricht, und erhitzten es. Das war weniger einfach als es klingt, wie Sossi betont: „Die Zusammensetzung unseres mantelähnlichen Pulvers erschwerte das Schmelzen. Wir benötigten sehr hohe Temperaturen von etwa 2000 Grad Celsius, damit es flüssig wird.“ Dazu war ein spezieller Ofen nötig, in dem die Proben mit einem Laser erhitzt werden konnten. Außerdem konnten die Forscher das Magma schweben lassen, indem sie verschiedene Gasgemische darum herum strömen ließen. Bei diesen Gasgemischen handelte es sich um verschiedene plausible Kandidaten für die Uratmosphäre. So wie damals vor 4,5 Milliarden Jahren beeinflussten auch die Gase im Ofen das flüssige Magma. Je nach Gasgemisch änderte sich die Zusammensetzung des Magmas.

„Uns interessierte vor allem das Eisen im Magma“, erklärt Sossi. „Wenn Eisen auf Sauerstoff trifft, oxidiert es und verwandelt sich in das, was wir gemeinhin als Rost bezeichnen.“ Enthielt das Gasgemisch im Ofen also viel Sauerstoff, wurde das Eisen im Magma stärker oxidiert. Nachdem die Proben abgekühlt waren, konnte das Team messen, wie stark das Eisen oxidierte. Anschließend verglichen die Forscher die Messdaten mit Peridotiten. Diese Gesteine bilden den heutigen Erdmantel und tragen noch den Einfluss der Uratmosphäre in sich. „Wir stellten fest, dass die junge Erde nach dem Abkühlen aus dem anfänglichen Magma-​Zustand eine leicht oxidierende Atmosphäre mit Kohlendioxid als Hauptbestandteil sowie Stickstoff und etwas Wasser aufwies“, sagt Sossi. Auch der Oberflächendruck war fast hundertmal höher als heute, und die Atmosphäre war aufgrund der heißen Oberfläche wesentlich höher. Die Uratmosphäre war also jener der heutigen Venus ähnlicher als der heutigen Erdatmosphäre.

Aus den neuen Erkenntnissen ziehen Sossi und seine Kollegen zwei Hauptschlussfolgerungen: Die erste ist, dass die Erde und die Venus in ihren Anfangsphasen recht ähnliche Atmosphären besaßen, dass die Venus aber aufgrund ihrer Nähe zur Sonne und der damit verbundenen höheren Temperaturen in der Folge ihr Wasser verlor. Die Erde jedoch behielt ihr Wasser. Dieses bedeckt heute als Ozeane den größten Teil der Erdoberfläche. Die Ozeane nahmen einen großen Teil des Kohlendioxids aus der Erdatmosphäre auf und reduzierten dadurch dessen Gehalt in der Luft erheblich. Die zweite Schluss­folgerung ist, dass eine populäre Theorie über das Entstehen des Lebens auf der Erde nun viel unwahr­scheinlicher ist. Basierend auf dem „Miller-​Urey-Experiment“ geht diese Theorie davon aus, dass Blitzeinschläge in Kombination mit bestimmten Gasen vor allem Ammoniak und Methan zur Bildung von Aminosäuren führten, den Bausteinen des Lebens. Gemäß Sossi wäre das schwierig zu realisieren gewesen. Die notwendigen Gase waren schlicht nicht in ausreichender Menge vorhanden.

ETHZ / JOL

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