12.01.2021

Explodierender Wasserstrahl im Röntgenlicht

Röntgenlaser eröffnet Blick auf ultraschnelle Prozesse in Physik, Biologie und Materialwissenschaften.

Mit ultrakurzen Röntgen­blitzen hat ein inter­disziplinäres Forscherteam extrem schnell explodierende Wasser­strahlen abgelichtet. Ziel der Versuche am Europäischen Röntgen­laser European XFEL war, sehr kleinräumige und sehr kurze Prozesse per Röntgen­holographie zu untersuchen. „Als Beispiel für so einen Prozess haben wir einen feinen Wasserstrahl gewählt, der von einem Infrarot-Laser an einer Stelle zum Explodieren gebracht wird“, sagt Desy-Forscher Johannes Hagemann.

Abb.: Ein Wasserstrahl fünf, zehn und zwanzig Nano­sekunden nachdem er vom...
Abb.: Ein Wasserstrahl fünf, zehn und zwanzig Nano­sekunden nachdem er vom Licht eines Infrarot­lasers getroffen wurde. (Bild: J. Hagemann, DESY)

„Um solche Prozesse aufzunehmen, muss das Blitzlicht deutlich kürzer sein als der Prozess selbst“, sagt Hagemann. „Sonst wird das Bild durch die Eigenbewegung des Untersuchungs­objekts verwaschen.“ Der European XFEL erzeugt Röntgenblitze, die nur einige Dutzend Femto­sekunden kurz sind. An der Messstation MID – Materials Imaging and Dynamics – lichteten die Forscher damit einen nur 0,04 Millimeter feinen Wasserstrahl ab, der von einem starken Infrarot-Laser getroffen wird. Das infrarote Laserlicht erhitzt den Wasserstrahl an einer Stelle schlagartig, so dass er dort in nur zwanzig Nanosekunden verdampft. Die resul­tierenden Aufnahmen zeigen detailliert die Dynamik des explodierenden Wasserstrahls. „Um zu diesen Bildern zu kommen, mussten wir zwei Hürden überwinden“, sagt Hagemann. „Zum einen ist die Beleuchtung durch die Röntgen­blitze nicht konstant, sondern fluktuiert stetig. Zum anderen bekommen wir zunächst nur Hologramme, keine echten Bilder, weil es für Röntgen­strahlen nicht solche hochqualitativen Linsen gibt wie für sichtbares Licht, die etwa in einer Kamera das Bild erzeugen.“

Um die erste Hürde zu meistern, machten die Wissen­schaftler zahlreiche Aufnahmen mit der springenden Beleuchtung und entwickelten daraus ein mathematisches Modell. „Damit ist es im Nachhinein möglich, die Beleuchtung bei einer beliebigen Messung zu beschreiben“, sagt Hagemann. „Und erst damit lässt sich die zweite Hürde überwinden.“ Die mit Hilfe des Beleuchtungs­modells gewonnenen Hologramme müssen numerisch rekonstruiert werden, um das eigentliche Bild des Wasserstrahls und seiner Explosion zu erhalten. „Dies ist zunächst zusätzlicher Aufwand, der sich aber auszahlt“, erläutert Hagemann. „Die erhaltenen Bilder sind nämlich nicht nur einfach Bilder, sondern eine Messung der Elektronen­dichte des abgebildeten Objekts. Damit lassen sich beispiels­weise Regionen mit einer höheren Dichte identi­fizieren, wie sie bei Schock­vorgängen auftritt. Außerdem lassen sich aus der Dichte noch weitere physi­kalische Größen wie Druck oder Temperatur ableiten.“

Der explodierende Wasserstrahl ist dabei nicht nur ein Modell­system, sondern hat auch praktische Bedeutung. Zum einen wird die schnelle Verdampfung durch kurze Laserpulse auch für medizinische Operationen genutzt, zum anderen werden per Wasser­strahl oft biologische Proben wie beispielsweise Protein­kristalle in den Strahl des Röntgen­lasers transportiert, um deren Struktur zu erkunden. Mit diesem Experiment ließ sich nun zeigen, dass sich diese feinen Wasser­strahlen auch eigenen, um größere Objekte wie intakte lebende Zellen in den Röntgenstrahl zu bringen. Der Vorteil: Die Zellen bleiben quasi in wässeriger Umgebung wie im Körper. Sie müssen nicht fixiert oder getrocknet werden. Die erfolgreiche Abbildung mit dem Röntgenlaser eröffnet nun zahlreiche Untersuchungs­möglichkeiten. „Wir wollen in Zukunft mit dieser Bildgebungs­technik weitere schnelle Prozesse auch in biologischer und weicher Materie im Wasser abbilden“, sagt Forschungs­leiter Tim Salditt von der Universität Göttingen.

DESY / JOL

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