30.11.2020

Elektronen springen im Sechseck

In Graphenschichten bewegen sich Elektronen entlang hexagonaler Bahnen.

Bewegen sich freie Elektronen im Magnetfeld, so werden diese auf kreis­förmige Zyklotron­bahnen abgelenkt. Dieser seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannte grundlegende Mechanismus, der auf der Lorentzkraft beruht, fand früher in Bildröhren von Fernsehern breite Anwendung, wird in der Massenspektrometrie ausgenutzt und zwingt heute hochenergetische Elektronen in Teilchen­beschleunigern auf Kreisbahnen. Das gleiche gilt für Elektronen in Metallen und Halbleitern, die sich trotz der Atome des Kristall­gitters nicht von der Kreisbewegung abbringen lassen, was in Hall-Sonden zur Magnetfeld­bestimmung genutzt wird.

Abb.: Eine komplexe Energie­fläche in übereinander liegenden mono­atomaren...
Abb.: Eine komplexe Energie­fläche in übereinander liegenden mono­atomaren Schichten führt zu einer hexagonalen Zyklotron­bewegung von Elektronen im Magnetfeld. (Bild: M.-H. Liu, Tainan)

Doch dass muss nicht immer der Fall sein, wie der Blick auf Elektronen in extrem dünnen leitenden Schichten wie Graphen offenbart. Legt man zwei derartige Schichten übereinander, entstehen auf Grund des Moiré-Effektes räumlich periodische Muster, die für die Elektronen ein künstliches Gitter auf der Skala von Nanometern darstellen und die Bewegung der mobilen Ladungs­träger grundlegend verändern können. Wie quanten­physikalische Simulationen von Ming-Hao Liu aus Tainan in Taiwan in Zusammenarbeit mit Klaus Richter von der Universität Regensburg überraschend ergaben, folgten die Elektronen in diesen ultradünnen Leitern nicht Kreisbahnen, sondern stattdessen näherungs­weise Trajek­torien in Form von Sechsecken. Diese neue Bewegungs­form konnte zweifelsfrei in korrespon­dierenden inter­ferometrischen Leitfähigkeits­messungen der Gruppe um Romain Danneau aus Karlsruhe nachgewiesen werden.

Das bemerkenswerte Verhalten der Elektronen kann als ein kollektiver emergenter Quanten­effekt gedeutet werden, der durch das Wechselspiel der Ladungsträger mit dem Moiré-Gitter in derartigen zweidimensionalen Leitern zu Tage tritt. Er lässt sich mit Hilfe der Quanten­mechanik aus der unge­wöhnlichen Struktur ihrer Energiebänder herleiten. Die Bewegung der Elektronen entlang hexagonaler Trajektorien lässt sich auch so deuten, dass die Elektronen in der quasi-zwei­dimensionalen Schichtebene nicht wie sonst in beliebige Richtungen laufen können, sondern nur in sechs vorgegebene Raumrichtungen, selbst im Magnetfeld. Die Resultate eröffnen daher eine Perspektive, durch Maßschneidern von Quanten-Materialien die Laufrichtung ihrer Elektronen robust und ganz gezielt vorzugeben. Das könnte für die Entwicklung elektro­photonischer Bauelemente genutzt werden.

U. Regensburg / JOL

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