12.05.2015

Elastokalorischer Effekt – Kühlen mit Festkörpern

Neuartige Kältemaschine: Werden Gedächtnismetalle verformt, ändern sich Kristallstruktur und Temperatur.

Nicht nur über den Kompressionskreislaufs eines flüssig-gasförmigen Kältemittels lässt sich effizient kühlen. In Laborexperimenten wird auch mit Lasern oder fluktuierenden Magnetfeldern gekühlt. Zu diesen Methoden gesellt sich nun eine weitere Variante der Kühlung mit Festkörpern, die den sogenannten elasto­kalorischen Effekt ausnutzt. Das Team um Jaka Tušek von der Technischen Universität Dänemarks in Roskilde (DTU) entwarf ein Computermodell, in dem Gedächtnis­metall-Legierungen über eine zyklische Verformung eine überraschend hohe Kühlleistung erwarten lassen.

Abb.: Funktionsschema eines Gedächtnismetall-Kühlschranks: Äußere Stempel verformen eine Metalllegierung. Die dabei entstehenden Temperaturänderungen ließen sich über Wärmetauscher zum Kühlen (linke Seite) nutzen. Überschüssige Wärme könnte über den rechten Wärmetauscher an die Umgebung abgegeben werden. (Bild: J Tusek et al., DTU)

Das Formgedächtnis einer Nickeltitan-Legierung beruht auf einem Wechsel der inneren Kristallstruktur. Wird dieses Gedächtnismetall gedehnt, verliert es seine kubische Austenit-Struktur und geht in eine metastabile Martensit-Struktur über. Bei diesem Wechsel heizt sich das Material aber auch ein wenig auf, es verhält sich elastokalorisch. Umgekehrt kühlt es sich wieder ab, wenn die Legierung ohne äußere Kraft wieder seine Ursprungsform annimmt. Genau diese Abkühlung könnte für den Betrieb eines speziellen Kühlschranks, der ohne gasförmige Kälte­mittel auskommt, genutzt werden.

Tušek und Kollegen bestimmten mit detaillierten Computer­simulationen nun die Kühlleistung dieser Verformung. Ihr – noch rein theoretischer – Kälte­generator bestand aus mehreren Metallplatten aus elasto­kalorischem Material. Diese ordneten die Forscher parallel an und ergänzten an beiden Seiten Wärmetauscher, durch die Wasser zirkulieren könnte. Über mechanische Stempel – beidseitig montiert – ließen sich die Metallplatten zyklisch verformen. So konnte in der Simulation eine Seite effizient gekühlt und die Wärme an der anderen Seite an die Umgebung abgegeben werden.

Simulierten die Forscher einen Kälte­generator mit einer Nickeltitan-Legierung, reichte etwa ein halbes Kilogramm aus, um mindestens 500 Watt Kühlleistung zu erzielen. Genau bezifferten sie die Kühl­leistung der Legierung auf sieben Kilowatt pro Kilogramm. Nur acht Verformungs­zyklen pro Sekunde mit einer Dehnungskraft von 180 Kilonewton genügten, um einen isolierten Innenraum um 25 bis 30 Grad abzukühlen. Auf nur 4,3 Kilowatt pro Kilogramm kam dagegen ein Gedächtnismetall aus einer Kupfer-Zink-Aluminium-Legierung. Die zyklische Verformung von gut doppelt so schweren Metallplatten wäre für einen vergleichbaren Kühleffekt nötig.

Auf dieser theoretischen Grundlage könnten nun Kühlschrank-Prototypen mit Gedächtnismetallen, einer Dehnungs­mechanik und Wärmetauschern entwickelt werden. Methoden, um dünne Streifen der Legierungen zu fertigen, stehen prinzipiell zur Verfügung. Problematisch ist allerdings die Haltbar­keit der Metalle, die bisher nur wenigen Tausend Dehnungs­zyklen standhalten könnten. Zudem liegt der ideale Temperatur­bereich für verfügbare Legierungen bei 320 bis 350 Kelvin. Doch mit optimierten Legierungen könnten nach Aussage der Forscher sowohl die Stabilität erhöht als auch der Temperatur­bereich nach Wunsch angepasst werden.

Der Alltagskühlschrank mit einer über Jahrzehnte ausgereiften Technik wird kaum von diesen Festkörper-Kältemaschinen abgelöst werden. Doch als Alternative zur Magnet­kühlung könnte der elasto­kalorische Effekt durchaus taugen. Denn im Vergleich zu Gadolinium, das in einem magnetischen Wechselfeld von einem Tesla nur eine Kühlung um bis zu fünf Kelvin erlaubt, zeigten sich die Nickeltitan-Legierung mit bis zu 25 Kelvin und sogar eine Kupfer-Zink-Aluminium-Legierung mit immerhin noch 17 Kelvin effizienter.

Jan Oliver Löfken

DE

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