22.08.2018

Eine Simulation mit 1800 Qubits

Quantenprozessor realisiert den Kosterlitz-Thouless-Über­gang.

Mit einem D-Wave-Quantenprozessor haben Forscher jetzt einen exo­tischen Phasen­über­gang in einem zwei­dimen­sio­nalen Spin­system mit topo­lo­gischen Anre­gungen unter­sucht. Der Quanten­pro­zessor der kana­dischen Firma D-Wave Systems enthält 2048 supra­leitende Qubits, in denen jeweils ein elek­trischer Kreis­strom rechts oder links herum fließen kann. Zudem ist auch eine quanten­mecha­nische Super­posi­tion beider Zustände möglich. So kann jedes Qubit einen Ising-Spin reali­sieren, der in Z-Rich­tung oder ihr ent­gegen orien­tiert ist.

Abb.: Der programmierbare D-Wave-Quanten­pro­zessor mit 2048 supra­leiten­den Qubits, mit dem der magne­tische Koster­litz-Thouless-Phasen­über­gang unter­sucht wurde. (Bild: A. King)

Diese Spins können ein programmierbares magnetisches Spin-Gitter bilden. Dabei lässt sich die Kopp­lungs­stärke zwischen je zwei Spins ebenso steuern wie das lokale Magnet­feld, das auf die ein­zelnen Spins wirkt. Indem man das System auf einige Milli­kelvin abkühlt, kann man den stören­den Ein­fluss der Wärme weit­gehend unter­drücken.

Kürzlich haben Forscher um Richard Harris mit diesem Prozessor ein drei­dimen­sio­nales Ising-Modell aus bis zu 512 Spins simu­liert, bei dem benach­barte Spins in zufäl­liger Weise ferro- oder anti­ferro­magne­tisch gekoppelt und einem Magnet­feld aus­ge­setzt waren. Wie der Ver­gleich mit Ergeb­nissen aus her­kömm­lichen Computer­simu­la­tionen zeigte, lieferte der Quanten­simu­lator ver­läss­liche Resultate.

Jetzt haben die Forscher, diesmal unter der Leitung von Andrew King, ein zwei­dimen­sio­nales Spin­system simu­liert, dessen Spins auf einem quadra­tisch-okto­go­nalen Gitter saßen. Bei diesem Gitter wech­selten sich quadra­tische und acht­eckige Zellen ab, in denen jeweils ein Spin saß, der vier bezie­hungs­weise acht nächste Nach­bar­spins hatte. Das Gitter war zu einem Zylinder auf­ge­rollt, sodass längs des Zylinder­umfangs perio­dische Rand­bedin­gungen galten.

Anders als beim Ising-Modell, dessen Spins längs oder entgegen der Z-Rich­tung orien­tiert sind, handelte es sich jetzt um ein XY-Modell, bei dem die Spins in belie­bige Rich­tung in der XY-Ebene zeigen konnten. Das ließ sich erreichen, indem jeweils mehrere Ising-Spins zusammen­ge­fasst wurden, sodass ihr Über­lage­rungs­zustand die Aus­rich­tung eines Pseudo­spins in der XY-Ebene fest­legte.

Abb.: Eines der simulierten Spin­systeme mit zwei Wirbeln und einem Anti­wirbel. (Bild: A. King et al. / Springer Nature)

Durch eine antiferromagnetische Wechselwirkung zwischen den Spins kam es zur „Frustra­tion“, sodass sich die Spins nicht ein­heit­lich aus­richten konnten. Das hatte zur Folge, dass die Pseudo­spins in der XY-Ebene in Form von Wirbeln und Anti­wirbeln aus­ge­richtet waren. Geht man im Uhr­zeiger­sinn um einen Wirbel herum, so dreht sich die Rich­tung der Pseudo­spins eben­falls im Uhr­zeiger­sinn, während sie bei einem Anti­wirbel gegen den Uhr­zeiger­sinn rotiert.

Diese topologischen Anregungen des Spinsystems hatten weit­reichende Folgen. Bei hin­reichend tiefen Tempe­ra­turen waren die Wirbel und Anti­wirbel paar­weise anein­ander gebunden. Das gab den Spins einen gewissen Grad von Ordnung, die aller­dings nicht lang­reich­weitig war wie in einem Ferro­magneten. Doch ober­halb einer kritischen Tempe­ratur brachen die Wirbel-Anti­wirbel-Paare auf und die Ordnung der Spins ging völlig ver­loren. Dieser Koster­litz-Thouless-Phasen­über­gang, für dessen Vor­her­sage der Physik-Nobel­preis 2016 ver­geben wurde, ist an dünnen Schichten aus Supra­flüssig­keiten und Supra­leitern sowie an ultra­kalten Atom­gasen experi­men­tell nach­ge­wiesen worden. Andrew King und seine Mit­arbeiter konnten ihn nun erst­mals an einem Spin­system beob­achten.

Dazu haben sie die Parameter ihres Spinsystems so ver­ändert, dass es aus einem unge­ord­neten klassi­schen Zustand kommend einen KT-Über­gang machte und eine Weile in der geord­neten quanten­mecha­nischen Koster­litz-Thouless-Phase verblieb. Anschlie­ßend wurde es schnell wieder in einen klassi­schen Zustand zurück­be­fördert, der jetzt Infor­ma­tionen über die KT-Ordnung ent­hielt, die aus­ge­lesen werden konnten.

Ein Vergleich der so gewonnenen Ergebnisse mit den Resultaten von klassi­schen Monte-Carlo-Simu­la­tionen ergab hervor­ragende Über­ein­stim­mung. Das galt sowohl für die Lage des KT-Phasen­über­gangs im Para­meter­raum als auch in Hin­blick auf den Zer­fall der räum­lichen Spin­korre­la­tionen, die die Ordnung in der KT-Phase charak­teri­sierten. Somit hat der Quanten­simu­lator auch dies­mal zuver­lässig gearbeitet.

Bislang wurden mit dem Quantensimulator nur Systeme erforscht, die auch her­kömm­lichen Computern zugäng­lich sind. Interes­santer wäre zum Beispiel die Quanten­simu­la­tion von dyna­mischen Vor­gängen fern vom thermo­dyna­mischen Gleich­ge­wicht oder von frus­trierten Quanten­magneten, in denen sich kompli­zierte quanten­mecha­nisch ver­­schränkte Zustände bilden. Diese Systeme ließen sich nur mit einem Quanten­pro­zessor simu­lieren. Dessen Qubits müssten aller­dings besser gegen Störungen abge­schirmt sein, als das beim D-Wave-Quanten­pro­zessor bisher der Fall ist.

Rainer Scharf

RK

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