14.05.2019

Eine Heimat für das „neue Kelvin“

Richtfest für ein neues Tieftemperaturlabor der PTB in Berlin.

Walther Meißner, der Pionier der Tief­temperatur­forschung, ist der Namenspatron des neuen Gebäudes, das die Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB auf ihrem historischen Gelände in Berlin-Charlottenburg bekommt. Es wird seit dem Jahr 2017 vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) errichtet. Jetzt naht die Fertigstellung des hoch­spezialisierten Wissenschafts­baus, in dem es unter anderem um die Forschung rund um SQUIDs gehen wird – eine Spezialität der PTB, bei der sie seit Jahrzehnten in der Forschung eine inter­nationale Spitzen­stellung einnimmt. Auch das „neue Kelvin“ bekommt hier eine Heimat. Richtfest des neuen Walther-Meißner-Baus ist am 28. Mai.

Abb.: Der neue Walther-Meißner-Bau der PTB auf ihrem Gelände in...
Abb.: Der neue Walther-Meißner-Bau der PTB auf ihrem Gelände in Berlin-Charlottenburg. (Bild: J. Struyken, PTB / Rendering: T. Mansion, BBR)

Walther Meißner nahm bereits 1927 auf dem demselben Areal, auf dem jetzt der Forschungs­neubau entsteht, ein Tieftemperatur­labor in Betrieb. Damals gehörte das Ganze noch zur direkten Vorgängerin der PTB, der Physikalisch-Technischen Reichs­anstalt (PTR). Meißner machte dort bahnbrechende Entdeckungen: Er fand neue supraleitende Elemente und erforschte deren Verhalten. Zwar wurde das Laboratorium im zweiten Weltkrieg zerstört, aber der Grundstein war gelegt für einen Forschungs­schwerpunkt, bei dem die heutige PTB zur Weltspitze gehört: Seit den 1980er Jahren ist die Entwicklung und Herstellung von höchst­empfindlichen supra­leitenden Quanten­interferenz-Detektoren (SQUIDs) hier ein großes Thema. SQUIDs dienen als Sensoren zur Messung von unvorstellbar kleinen Magnet­feldern, etwa des menschlichen Herzens oder Gehirns. Mit ihnen sowie ihren teilweise weltweit einzig­artigen Apparaten und magnetisch geschirmten Räumen ist die PTB international führend bei der Entwicklung neuer Diagnoseverfahren für Herz- und Hirn­aktivität, aber auch in der physika­lischen Grundlagen­forschung wie etwa der Untersuchung von Eigenschaften magnetischer Nanoteilchen.

Aber auch auf anderen Forschungs­gebieten bietet der neue Walther-Meißner-Bau einmalige Umgebungs­bedingungen: etwa für die Kryostaten-Systeme zur Thermo­metrie, die ebenfalls weltweit herausragend sind. Mit ihnen kann die PTB der überwiegend mittel­ständisch geprägten deutschen Thermometer-Industrie die Kalibrierung ihrer Produkte über einen sehr weiten Temperatur­bereich aus einer Hand gewährleisten. Außerdem wird die PTB in dem Gebäude das „neue“ Kelvin bereit­stellen: Ab dem 20. Mai dieses Jahres wird die SI-Basiseinheit der Temperatur, das Kelvin, nicht mehr über den Tripelpunkt von Wasser, sondern über eine Konstante der Natur, die Boltzmann-Konstante, definiert. In dem Neubau wird die PTB das „neue“ Kelvin direkt darstellen. Dazu dient ein Rauschthermometer, ein quanten­gestütztes Temperatur­normal. Mit ihm misst die PTB das Kelvin, indem sie eine Spannung direkt rückführbar auf ein Josephson-Normal misst. So kann die PTB ihre Spitzen­stellung auch auf dem Gebiet der Primär­thermometrie weiter ausbauen.

Zudem wird in dem neuen Gebäude die Entwicklung innovativer Präzisions­elektronik für metrologische Anwendungen weitergeführt. Auch werden in den Laboratorien zukünftig Forschungs­arbeiten zur optischen Einzel­photonen-Radiometrie durchgeführt werden, als ein Teil des neuen Quanten­technologie-Zentrums. Außerdem werden die neuen Räumlichkeiten im Rahmen des Technologie­transfers zur Beratung und zum Anwender­training für industrielle und wissen­schaftliche Kooperations­partner genutzt.

Insgesamt beherbergt der Walther-Meißner-Bau Labor-, Mess- und Reinräume mit einer gesamten Nutzfläche von 2325 Quadratmetern, zusätzlich 555 Quadratmeter Büroflächen für die dort beschäftigten 33 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker. Das Gebäude erfüllt höchste Anforderungen hinsichtlich Schwingungs­freiheit und Temperatur­konstanz der Labore sowie an die infra­strukturellen Bedingungen in den Reinräumen der Klassen 4 und 6. Die Baukosten wurden mit gut 36 Millionen Euro angesetzt. Das Gebäude soll Ende 2020 fertiggestellt werden, sodass der Forschungs­betrieb 2021 beginnen kann.

Die architek­tonische Gestaltung des Neubaus fügt sich bei aller aktueller Eigen­ständigkeit in das denkmal­geschützte historische Ensemble des Campus Charlottenburg der PTB ein. Sie stammt von Rohdecan Architekten, die aus einem vom BBR ausgelobten Architekten­wettbewerb siegreich hervor­gingen. Der neue Walther-Meißner-Bau wird den Campus archi­tektonisch bereichern und fachlich dazu beitragen, dass die PTB auch zukünftig eine führende Rolle in der Kryosensorik, Thermometrie und Quanten­technologie einnehmen und die Wünsche von Kunden und Kooperations­partnern aus Industrie und Forschung erfüllen kann.

PTB / JOL

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