19.11.2020 • KernphysikAstrophysik

Einblicke in Extremzustände der Materie

Erste exakte Berechnung des Phasenübergangs von Nukleonen.

Bei sehr hohen Drücken und Temperaturen verändert sich die Materie in den Atom­kernen. Einem inter­nationalen Team von Wissen­schaftlern ist es jetzt erst­mals gelungen, diesen Phasen­über­gang exakt zu berechnen. Die Ergebnisse erlauben unter anderem eine genauere Analyse von Gravita­tions­wellen. Diese entstehen etwa, wenn zwei Neutronen­sterne mitein­ander verschmelzen. Die Eigen­schaften der Wellen ermöglichen daher Rück­schlüsse darauf, wie es im Innern von Neutronen­sternen aussieht.

Abb.: Phasenüber­gang der Nukle­onen von gas­förmig (links) zu flüssig...
Abb.: Phasenüber­gang der Nukle­onen von gas­förmig (links) zu flüssig (rechts). Als Übergangs­zu­stände bilden sich Kerne und Blasen. (Bild: B.-N. Lu et al. / RFWU)

Im Normalfall verhalten sich Nukleonen wie eine Flüssig­keit: Sie bewegen sich nur langsam und liegen Dank der Kräfte, die zwischen ihnen wirken, relativ dicht und geordnet beiein­ander. Bei hohen Tempera­turen wird ihre Eigen­bewegung aber so groß, dass sie aus diesem geordneten Verbund ausbrechen und in die Gasphase übertreten.

„Bislang war es nicht möglich, den Phasen­über­gang der Nukleonen genau zu berechnen“, erklärt Ulf Meißner vom Helm­holtz-Institut für Strahlen- und Kern­physik der Universität Bonn. Anders ausge­drückt: Man wusste nicht exakt, bei welchen Kombina­tionen aus Druck und Temperatur die Nukleonen gas­förmig werden. Die Lösung erfordert so viele komplexe Schritte, dass selbst Hoch­leistungs­computer über­fordert sind. Daher mussten sich die Forscher bislang auf Näherungs­verfahren verlassen. Die neue Studie, für die Super­computer des Forschungs­zentrums Jülich genutzt wurden, ändert das. „Wir haben eine neue Methode entwickelt, die mindestens um den Faktor 1000 schneller ist“, so Meißner.

Das Verfahren ermöglicht nicht nur die exakte Angabe, wann Protonen und Neutronen in die Gasphase übergehen. Mit seiner Hilfe lässt sich berechnen, wie sich die Kern­materie unter verschie­densten Bedingungen verhält – auch solchen, die sich auf der Erde nicht nach­stellen lassen, wie sie aber etwa im Innern von Neutronen­sternen herrschen. „Unsere Methode erlaubt es, die Eigen­schaften der Nukleonen bei diesen Bedingungen vorher­zusagen“, erklärt Meißner. „Dadurch ist es etwa möglich, aus Gravita­tions­wellen, wie sie bei der Verschmelzung von Neutronen­sternen entstehen, verläss­lichere Informa­tionen abzu­leiten.“

Eine solche Verschmelzung hat Auswirkungen auf die Eigen­schaften der Neutronen­materie, aus denen die Sterne bestehen, und auf die Gravita­tions­wellen, die von ihnen ausgehen. „Ein exaktes Verständnis dieser Zusammen­hänge hilft uns, die Wellen besser zu inter­pretieren“, sagt Meißner. „Wir können so gewisser­maßen in das Innere der Sterne schauen.“

RFWU / RK

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