21.09.2020 • Sonnensystemforschung

Ein neuer Sonnenzyklus hat begonnen

Beobachtungsdaten zeigen: Die Aktivität der Sonne nimmt wieder zu.

In den vergangenen anderthalb Jahren war auf der Sonne nicht viel los: Kaum ein Sonnen­fleck bedeckte ihre Ober­fläche, kaum eine Sonnen­eruption schleuderte Strahlung und Teilchen ins All. Wie Beobachtungs­daten jetzt zeigen, nimmt unser Stern seit etwa neun Monaten wieder langsam Fahrt auf. Das etwa alle elf Jahre wieder­kehrende Aktivitäts­minimum dürfte er bereits im Dezember 2019 durch­schritten haben. Das bestätigt Vorher­sagen des Solar Cycle 25 Prediction Panel, eines von der amerika­nischen Weltraum­behörde NASA und der amerika­nischen Ozean- und Atmosphären­behörde NOAA einberufenen, inter­nationalen Experten­gremiums vom März vergangenen Jahres. Das Gremium erwartet zudem, dass sich die Sonne im nun begonnenen Sonnen­zyklus 25 ähnlich schlapp zeigen wird wie in den elf Jahren zuvor.

Abb.: Im Aktivitäts­minimum (links) wie hier im Dezember 2019 zeigt sich kein...
Abb.: Im Aktivitäts­minimum (links) wie hier im Dezember 2019 zeigt sich kein Sonnen­fleck auf der sicht­baren Ober­fläche der Sonne. Im ver­gan­genen Aktivitäts­maximum (rechts) im Juli 2014 waren gleich mehrere zu sehen. (Bild: J. Ng, SDO, NASA)

Seit mehr als dreißig Jahren laden NASA und NOAA regel­mäßig inter­nationale Experten ein, die Sonnen­aktivität der nächsten Jahre vorher­zusagen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn unser Stern zeichnet sich durch ein eigen­artiges Zusammen­spiel aus Verläss­lich­keit und Launen­haftig­keit aus. Zwar wechseln sich Phasen hoher und geringer Aktivi­täten in einem erstaunlich regel­mäßigen Rhythmus ab: Zwischen zwei Aktivitäts­minima vergehen etwa elf Jahre. Doch einige Eigen­schaften wie Stärke und genaue Dauer eines Zyklus variieren und lassen kein lang­fristiges System erkennen.

Die jüngste Vorhersage vom März 2019 hat jetzt ihre erste Bewährungs­probe bestanden und den Anfang des nächsten Zyklus, des 25. seit Beginn verlässlicher Sonnen­beob­achtungen, richtig prognos­tiziert. Das Solar Cycle 25 Prediction Panel hatte diesen Zeitpunkt zwischen November 2019 und Oktober 2020 verortet. Messungen von Forschungs­satelliten aus den vergangenen Monaten zeigen, dass die Sonnen­aktivität tatsächlich seit Dezember 2019 wieder zunimmt.

Das Verhalten unseres Sterns im Voraus zu bestimmen, ist nicht nur von wissen­schaft­lichem Interesse. „In Phasen hoher Aktivität können sich heftige Teilchen- und Strahlungs­ausbrüche von der Sonne auch auf der Erde bemerkbar machen“, so Robert Cameron vom MPI für Sonnen­system­forschung, der an der Vorher­sage vom März vergangenen Jahres mitge­wirkt hat. Im schlimmsten Fall können dadurch technische Systeme wie etwa Satelliten ausfallen oder Astronauten zu Schaden kommen.

Der nun begonnene Sonnenzyklus dürfte in dieser Hinsicht wenig Anlass zur Sorge geben. Das Solar Cycle 25 Prediction Panel geht davon aus, dass seine Stärke der seines ausge­sprochen matten Vorgängers ähneln wird. Bereits seit den 1980er Jahren verzeichnet die Stärke der Sonnen­zyklen einen deut­lichen Abwärts­trend. „Die aktuelle Phase geringer Sonnen­aktivität im Vergleich zu den starken Zyklen, die während des Groß­teils des vergangenen halben Jahr­hunderts vorherrschten, setzt sich in den nächsten elf Jahren offenbar fort“, so Cameron. Das nächste, eher schwache Maximum dürfte in der Zeit zwischen November 2024 und März 2026 auftreten.

Obwohl Prognosen früherer Sonnenzyklen zum Teil merklich daneben­lagen, ist Cameron überzeugt, dass sich die Sonne durchaus in die Karten blicken lässt – allerdings nur einige Jahre im Voraus. Neue Erkennt­nisse der Sonnen­forschung der vergangenen Jahre machten dies möglich, so der Forscher. Wichtige Anhalts­punkte bieten lokale magnetische Strukturen, die sich Jahre zuvor auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne zeigen. Diese bipolaren Regionen bestehen aus dicht benach­barten Bereichen entgegen­gesetzter magnetischer Polarität. Oftmals gehen sie mit Sonnen­flecken einher. Wie auf einer Art solarem Förder­band schwemmen gewaltige, ober­flächen­nahe, nord-süd-gerichtete Plasma­ströme diese lokalen magnetischen Felder über mehrere Jahre hinweg aus Äquator­nähe zu den Sonnen­polen und bauen so das globale Sonnen­magnet­feld auf, das den nächsten Sonnen­zyklus prägt. An den Polen sinkt das Plasma in die Tiefe und fließt dort zurück zum Äquator. „Jeder Kreislauf dauert etwa elf Jahre und ist die physika­lische Grund­lage des Sonnen­zyklus“, so Cameron.

Für Vorhersagen der Sonnen­aktivität ist es zum einen entscheidend, Anzahl und Anordnung der bipolaren Regionen, die Jahre zuvor auf der Oberfläche der Sonne entstehen, genau und ununter­brochen zu beobachten. Diese Aufgabe über­nehmen seit einigen Jahren Satelliten, wie etwas das Solar Dynamics Observatory der NASA. Zum anderen erlaubt die Helio­seismo­logie, eine noch junge Teil­disziplin der Sonnen­forschung, Vorgänge im Innern der Sonne sichtbar zu machen und so die genaue Geschwin­dig­keit des Plasma­kreis­laufs zu bestimmen. „Mit diesen Methoden können wir schon einige Jahre im Voraus ablesen, wie sich die Sonne im nächsten Zyklus verhalten wird“, so Cameron. Vorhersagen, die über einen Sonnen­zyklus hinaus­gehen, sind indes prinzipiell nicht möglich.

MPS / RK

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