22.06.2022

Dynamik an der Küste

Neu entwickeltels System zum Salzwassermonitoring soll Aufschluss über die wichtige Übergangszone von Strand zu Meer geben.

An der dynamischen Nordsee­küste vor Spiekeroog hat das Forschungs­vorhaben DynaDeep mittels einer Bohrung das am Leibniz-Institut für angewandte Geophysik (LIAG) entwickelte Salzwasser­monitoring­system Samos direkt an der Hoch­wasserlinie am Oststrand eingebaut. Ziel des Projektes ist es, ein unterirdisches Messfeld zu installieren, um die Übergangszonen zwischen den Grund­wasser­aquiferen an Hoch­energie­stränden und dem Meer zu untersuchen. In diesen Zonen verändern biogeo­chemische Reaktionen die Grundwasser­zusammensetzung, was die Stoff­flüsse in Richtung Meer wesentlich beeinflusst. Bislang ist darüber global nur wenig bekannt. Weitere Mess­installationen sind bis Anfang Juni geplant.

 

Abb.: Einbau des Salz­wasser­monitoring­systems auf Spiekeroog (Bild: LIAG)
Abb.: Einbau des Salz­wasser­monitoring­systems auf Spiekeroog (Bild: LIAG)

Der Untergrund von Hochenergiestränden, also dem offenen Meer zugewandten Stränden, ist stetig in Bewegung. In ihm spielen sich vielfältige chemische, geologische und mikro­biologische Prozesse ab. Die Installation des unterirdischen Messfeldes ermöglicht es der Forschungs­gruppe DynaDeep (The Dynamic Deep Subsurface of High-Energy Beaches) nun bald, diese dynamische Unterwelt, in der sich Salz- und Süßwasser vermischen, kontinuierlich zu überwachen. In der ersten Projektphase, die von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft mit rund fünf Millionen Euro gefördert wird und auf vier Jahre angelegt ist, konzentriert sich das Projekt auf den Standort Spiekeroog.

Hydrogeologin Gudrun Massmann, die am Institut für Biologie und Umwelt­wissenschaften (IBU) und am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg forscht und lehrt, ist Sprecherin des Forschungs­vorhabens. Sie koordiniert mit dem Geophysiker und LIAG-Projekt­leiter Mike Müller-Petke den Einbau der Samos-Messstrecke. Weiter beteiligt sind mehrere Forscher des ICBM, des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI), des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPI-MM) in Bremen, der Bundesanstalt für Geo­wissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover sowie der Universität Kiel. Das Team wird von einem Netzwerk von Kooperations­partnern und lokalen Akteuren unterstützt, darunter die National­park­verwaltung Nieder­sächsisches Wattenmeer (NLPV), die Forschungs­stelle Küste des Nieder­sächsischen Landes­betriebs für Wasser­wirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und die Gemeinde Spiekeroog.

Bereits die Installation des Messfeldes und die auf Langzeit angelegten Messungen sind aufgrund der Zugänglichkeit zur Übergangszone und der Instabilität des Unter­grunds herausfordernd. Über eine oberflächennahe Bohrung wurde die zwanzig Meter lange Samos-Elektroden­strecke erstmalig direkt am Strand an der dynamischen Hochwasserlinie eingebaut. Sie komplettiert damit die kontinuierlichen Daten­erhebungen durch das unterirdische Messfeld. Die Installation eines Messpfahls mit Wellenmesser, Kameras und einer Wetterstation erfolgte bereits vom Schiff aus durch die Forschungsstelle Küste des NLWKN. Zeitgleich mit der Samos-Installation werden drei Multilevel-Grundwasser­messstellen eingebaut. Samos, das mittels elektrischer Leitfähigkeit den Untergrund abbildet, ist anders als andere geo­physikalische Mess­systeme in der Lage, die gesamte Salz-Süßwassergrenze vom Untergrund bis zur Oberfläche zu überwachen. Eine Echtzeit-Daten­übertragung soll der Forschungsgruppe dann fortlaufend Einblicke in die dynamischen Prozesse geben. Die kontinuierlichen Daten­erhebungen des unterirdischen Messfeldes werden durch regelmäßige Messungen von der Oberfläche ergänzt.

Die intensive interdisziplinäre Zusammen­arbeit der beteiligten Wissenschaftler soll auf Basis der ersten Projektphase und im Rahmen der Grundlagen­forschung auch global das Verständnis eines weitgehend unbekannten Lebensraums am Übergang zwischen Land und Meer entscheidend voranbringen. Hoch­energie­strände machen weltweit einen großen Anteil aus. An den meisten dieser Standorte wurden in größerer Tiefe – vermutlich durch die schwierigen Bedingungen für das Arbeiten in solchen Systemen – jedoch bisher keine biogeo­chemischen und mikro­biologischen Daten erhoben. Der biogeo­chemische Reaktor im Untergrund von Hoch­energie­stränden ist daher bislang nur unzureichend verstanden, obwohl er global wahrscheinlich wesentlich die Stoff­flüsse in Küstengewässern beeinflusst.

LIAG / DE

 

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