06.02.2019

Dunkelzustände im Nanoröhrchen

Erfolgreicher Nachweis der Superposition von Elektronen.

Im Unterschied zur makroskopischen Welt können in der Quantenwelt Sein und Nichtsein koexistieren oder einander überlagert sein. Die Paradoxie einer solchen Überlagerung wurde von Schrödinger am Beispiel einer bedauernswerten Katze veranschaulicht, die sich in einem versiegelten Kasten befindet, und in einem Überlagerungszustand von „lebendig“ und „tot“ befindet, solange der Zustand nicht durch einen Messprozess auf eine der beiden Alternativen festgelegt wurde.

Destruktive Inter­ferenz einer Elektronen­welle in einer Nano­röhre aus...
Destruktive Inter­ferenz einer Elektronen­welle in einer Nano­röhre aus Kohlen­stoff. (Bild: A. Donarini, U. Regens­burg)

Ein Beispiel solcher Überlagerung in der Quantenwelt ist das Phänomen der optisch induzierten Transparenz. In einem wichtigen Experiment der Atomphysik wurde ein Gas von zwei Lasern mit unterschiedlicher Farbe beleuchtet. Solange nur ein Laser aktiv ist, kann das Licht durch die Anregung der Atome absorbiert werden. Wird jedoch gleichzeitig mit beiden Lasern beleuchtet, können sich die Anregungsprozesse destruktiv überlagern und sich damit gegenseitig unterdrücken – das Gas absorbiert nicht mehr und wird durchsichtig. Die zusätzliche Beleuchtung unterdrückt die Absorption des Lichts.

Einem Team von Physikern um Milena Grifoni, Andrea Donarini, Christoph Strunk und Nicola Paradiso an der Universität Regensburg gelang es jetzt, ein solches Schema in einer rein elektronischen Versuchsanordnung zu realisieren. Die Anordnung enthält eine Kohlenstoff-Nanoröhre, welche mittels zweier metallischer Elektroden kontaktiert wird. Die Wand des Nanoröhrchens ist nur eine Atomlage dick und dessen elektrischer Leitwert kann wie bei einem Transistor gesteuert werden. Der Stromeingang oder -ausgang in die Nanoröhre erfolgt ähnlich wie die Durchquerung einer Drehtür: Nur ein Elektron nach dem anderen können hereinkommen. Klassisch können sich die Elektronen entweder mit oder entgegen dem Uhrzeigersinn durch die Nanoröhre bewegen.

In der Quantenwelt müssen sich die Elektronen nicht für einen Drehsinn entscheiden, sondern sie können eine Überlagerung von beiden einnehmen. Dieses Phänomen führt, wie in dem optischen Experiment, zur Interferenz: die beiden Alternativen können sich gegenseitig verstärken oder auslöschen. Im ersten Fall gelingt die Durchquerung der Drehtür leicht, im zweiten Fall wird die Drehtür blockiert und erst nach einiger Zeit wieder frei. Wenn sich die beiden Durchquerungsmöglichkeiten konstruktiv überlagern, fließt der elektrische Strom ungehindert. Dagegen wird er blockiert, wenn die Interferenz destruktiv ist. Weil das Elektron in diesem Fall gefangen ist, spricht man in Analogie zur Quantenoptik von einen Dunkelzustand.

Obwohl diese Möglichkeit für Elektronen schon seit zwei Jahrzehnten theoretisch vorhergesagt wurde, ist der experimentelle Nachweis erst jetzt gelungen. Darüber hinaus konnten die Physiker den Mechanismus der Blockade in der Nanoröhre modellieren und genauer verstehen. So ist das Experiment ein weiterer Schritt auf dem Weg zur künftigen Nutzung von Quantenphänomenen in der Elektronik und Informationsverarbeitung.

U. Regensburg / JOL

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