12.02.2020

Doppelter Blick in die Lunge

Die Kombination bildgebender Verfahren zeigt präzise die Verteilung eingeatmeter Medikamente.

Forscher des Helmholtz Zentrums München und der Munich School of BioEngineering (MSB) an der Technischen Universität München haben eine Kombination mehrerer bild­gebender Verfahren vorgestellt, mit der sie präzise zeigen können, wie sich eingeatmete Medikamente in der Lunge einer Maus verteilen und wie sie vom Gewebe aufgenommen werden. Die Ergebnisse solcher Unter­suchungen sollen helfen, neue hochwirksame und neben­wirkungsarme Arzneimittel gegen Lungen­krankheiten beim Menschen zu entwickeln. Bei den Messungen an der MSB kam die Munich Compact Light Source (MuCLS) – eine kompakte Beschleuniger­anlage zur Erzeugung von Röntgenlicht – zum Einsatz.

Abb.: Lungen­aufnahme, die mithilfe der Lichtblatt-Fluoreszenz­mikroskopie...
Abb.: Lungen­aufnahme, die mithilfe der Lichtblatt-Fluoreszenz­mikroskopie erstellt wurde. Es zeigt die Verteilung der Nano­partikel bis auf Ebene einzelner Zellen. (Bild: L. Yang & O. Schmid, HZM)

Lungen­krankheiten wie die chronische obstruktive Lungenkrankheit (COPD), Asthma oder Infektionen lassen sich seit langem effizient mit Medikamenten behandeln, die von Patienten eingeatmet werden. In Zukunft sollen weitere Arznei­mittel auf diese Weise verabreicht werden – zum Beispiel Mittel gegen Krebs, bei denen der Wirkstoff in Nano­partikeln gebunden ist. „Solche Nanopartikel-basierten Medikamente haben zahlreiche Vorteile,“ erklärt Otmar Schmid, Arbeits­gruppen­leiter am Institut für Lungen­biologie des Helmholtz Zentrums München. „Zum Beispiel werden die Wirkstoffe nicht so leicht enzymatisch abgebaut, weil sie in dem Nanopartikel einge­bettet sind. Außerdem lassen sich die Nanopartikel gezielt zu den erkrankten Zellen lenken, wenn man an ihnen Liganden befestigt, die an diese Zellen andocken.“ Damit könnte die Wirkung des Arznei­mittels besser auf das erkrankte Gewebe fokussiert werden, was die Nebenwirkungen deutlich reduzieren würde.

Die TUM-Forscher haben dabei zwei Verfahren beigetragen, die Röntgen­licht nutzen. Mit einem davon konnten sie einen Film erstellen, der zeigt, wie sich bei einer Maus einge­atmete Medikamente mit der Zeit von der Luftröhre aus in der Lunge ausbreiten. Mit dem zweiten haben sie dreidimensionale Bilder der gesamten Lunge erzeugt. Für die Untersuchung verab­reichten sie statt eines echten Medikaments eine Lösung mit Nanopartikeln, die aber keinen Wirkstoff enthielten. Dieser mischten sie zudem ein iodhaltiges medi­zinisches Kontrast­mittel bei, das in Röntgenbildern deutlich sichtbar wird. 

Den Film stellten die Forscher aus Röntgenbildern der Mauslunge zusammen, die sie immer zum gleichen Zeitpunkt im Atemzyklus aufgenommen hatten. „Wir haben bei den Aufnahmen den Propagations­effekt der Röntgen­strahlen ausgenutzt und konnten so auch die Gewebe­strukturen der Lunge deutlich sichtbar machen,“ erklärt Regine Gradl, die die Messungen im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Lehrstuhl für Bio­medizinische Physik der TUM durchgeführt hat. „In gewöhnlichen Röntgen­bildern hätte man fast nur den Brustkorb und das mit Iod markierte Kontrastmittel gesehen.“ Beim Propagations­effekt nutzt man aus, dass die Röntgenstrahlen auf ihrem Weg durch das Unter­suchungs­objekt zum Teil geringfügig abgelenkt werden und so verschiedene Strahlen hinter dem Objekt interferieren können. Dank dieser Inter­ferenzen werden im Röntgenbild zusätzliche Details erkennbar. Dazu gehören insbesondere Grenz­flächen von Weichgewebe – zum Beispiel zwischen Luft und Lungengewebe. 

Bis vor kurzem waren solche Untersuchungen nur an Synchrotron­lichtquellen möglich, denn nur diese lieferten Röntgenlicht, das intensiv und für die Interferenz hinreichend kohärent ist. Seit wenigen Jahren erzeugt mit der Munich Compact Light Source erstmals eine Anlage, die in ein Labor üblicher Größe passt, Licht mit diesen Eigenschaften. Dieses weltweit einzigartige Mini-Synchrotron ist nur rund fünf mal drei mal zwei Meter groß. Es ermöglicht Forschern, umfangreiche Unter­suchungen mit intensivem, kohärenterem Röntgenlicht zeitlich flexibel durchzuführen. „An Synchrotron­lichtquellen ist die Nachfrage nach Messzeit sehr groß, so dass Forschende ihre Experimente sehr lang im Voraus planen und in wenigen Tagen durchführen müssen“, betont Gradl. An einer üblichen Labor­röntgenquelle wären die Untersuchungen in dieser Form hingegen gar nicht möglich gewesen. 

Die Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München konnten anschließend mit Hilfe von Fluoreszenz-Verfahren an der explan­tierten Lunge zeigen, wie sich die eingeatmeten Partikel auf die einzelnen Zellen der Lunge verteilt hatten. Für diese Untersuchung waren fluores­zierende Nanopartikel verwendet worden. Werden diese mit Licht angeregt, leuchten sie und zeigen so, wo sich die Lösung in der Lunge befindet. Besonders präzise Ergebnisse konnten die Forschenden dabei mit der Lichtblatt-Fluoreszenz­mikroskopie (engl.: Lightsheet Fluorescence Microscopy, LSFM) erzielen, bei der jeweils nur eine sehr dünne Schicht der Probe beleuchtet wird, dadurch aber Schicht für Schicht ein sehr genaues drei­dimensionales Gesamtbild der Lunge und darin lokalisierten Nanopartikel aufgenommen wird. 

„Mit der Kombination von Röntgen- und Fluoreszenzverfahren können wir erstmals sowohl die Dynamik als auch die End­verteilung der Verabreichung von Lungen­medikamenten beobachten,“ betont Schmid. Damit sollte es in Zukunft zum Beispiel möglich werden, zu bestimmen, wie genau nanopartikel­basierte Medikamente das Zielgewebe erreichen. Aber auch schon die ersten Versuche haben wichtige Erkenntnisse geliefert. Die Forscher haben hier zwei Methoden verglichen, mit denen Medikamente in prä­klinischen Studien in die Lunge verabreicht werden: die Inhalation von Tröpfchen und die Instillation von Flüssigkeiten, bei der die Lösung über einen Tubus durch die Trachea in die Lunge injiziert wird. Die Forscher konnten dabei zeigen, wie es möglich ist, dass sich die instillierte Flüssigkeit bis in die feinsten Veräs­telungen der Lunge verteilt. „Sie sammelt sich zuerst in den oberen Atemwegen, bis sie diese blockiert, und dann beim nächsten Atemzug als Spray in der ganzen Lunge verteilt wird“, erklärt Schmid. „Anders als bei der Inhalation erreicht sie dabei aber nicht die tiefsten Bereiche der Lunge.“

LMU / JOL

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