02.07.2020

Doppelstern als Teilchenbeschleuniger

Neue Quelle für sehr energiereiche kosmische Gammastrahlung nachgewiesen.

Mit einem Spezial­teleskop in Namibia hat ein inter­nationales Forscherteam einen besonderen Doppelstern als neue Quelle für sehr energie­reiche kosmische Gamma­strahlung nachgewiesen: Eta Carinae liegt 7500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schiffskiel (Carina) am Südhimmel und erzeugt den Messungen zufolge Gamma­strahlung bis zu einer Energie von 400 Giga­elektronenvolt (GeV). Das Team um Stefan Ohm, Eva Leser und Matthias Füßling vom Desy nutzte für seine Beobachtungen das Gammastrahlen­observatorium High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.).

Abb.: Kollidierende Sternwinde vom Doppelstern Eta Carinae bilden eine...
Abb.: Kollidierende Sternwinde vom Doppelstern Eta Carinae bilden eine neuartige Quelle für sehr energiereiche kosmische Gammastrahlung. (Bild: Science Comm. Lab, DESY)

Eta Carinae besteht aus zwei blauen Riesen­sonnen: Die eine hat die rund hundert­fache Masse unserer Sonne, die andere etwa die dreißigfache. Beide umkreisen sich alle 5,5 Jahre auf stark ellip­tischen Bahnen. Ihr Abstand schwankt dabei in etwa zwischen der Entfernung von Sonne zu Mars und Sonne zu Uranus. Beide Riesensterne schleudern dichte, überschall­schnelle Sternwinde aus geladenen Teilchen ins All. Der größere der beiden verliert dabei in nur rund 5000 Jahren soviel Masse, wie unsere Sonne insgesamt besitzt. Der kleinere treibt einen schnellen Sternenwind mit etwa elf Millionen Kilometern pro Stunde an. Dort, wo die beiden Sternwinde aufeinander­treffen, entsteht eine gewaltige Schockfront, in der das Windmaterial extrem aufgeheizt wird.

Bei rund 50 Millionen Grad Celsius leuchtet es hell im Röntgenlicht. Für die Emission von Gamma­strahlung sind die Wind­teilchen allerdings nicht heiß genug. „Derartige Schock­regionen sind jedoch typische Orte für die Beschleunigung subatomarer Teilchen durch die starken elektro­magnetischen Felder, die dort herrschen“, erläutert Ohm, Leiter der H.E.S.S.-Gruppe. Solche stark beschleunigten Teilchen können auch Gamma­strahlung aussenden. Tatsächlich haben die Satelliten „Fermi“ der US-Raumfahrt­behörde Nasa und „Agile“ der italienischen Raumfahrtagentur Asi bereits 2009 energie­reiche Gamma­strahlung bis etwa zehn GeV von Eta Carinae nachgewiesen.

„Für die Produktion dieser Gamma­strahlung gibt es verschiedene Modelle“, berichtet Füßling. „Sie kann von stark beschleu­nigten Elektronen stammen oder von energiereichen Atomkernen.“ Welches von beiden Szenarien zutrifft, ist von entscheidender Bedeutung: Energiereiche Atomkerne stellen die Haupt­komponente der kosmischen Strahlung, die permanent von allen Seiten auf die Erde einprasselt. Obwohl die Kosmische Strahlung bereits vor mehr als einhundert Jahren entdeckt wurde, sind die Quellen der energie­reichen Atomkerne trotz intensiver Forschung noch immer nicht erschöpfend bekannt. Da sie elektrisch geladen sind, werden die Atomkerne auf ihrem Weg durch das Universum von kosmischen Magnet­feldern abgelenkt. Ihre Ankunfts­richtung auf der Erde weist daher nicht mehr zu ihrem Ursprung zurück. Kosmische Gamma­strahlung hingegen wird nicht abgelenkt. Wenn sich also nachweisen lässt, dass die Gamma­strahlung von energie­reichen Atomkernen stammt, wäre damit auch einer der gesuchten Beschleuniger der Kosmischen Teilchen­strahlung gefunden.

„Bei Eta Carinae haben es Elektronen besonders schwer, auf sehr hohe Energien beschleunigt zu werden, da sie während ihrer Beschleu­nigung gleichzeitig in Magnet­feldern abgelenkt werden und so wieder Energie verlieren“, sagt Leser. „Oberhalb von einhundert GeV beginnt der Bereich der sehr hochenergetischen Gammastrahlung, die sich nur noch schwer durch Elektronen­beschleunigung erklären lässt.“ Rund um die jüngste Begegnung der beiden Riesensterne konnte H.E.S.S. nun Gamma­strahlung bis zu einer Energie von 400 GeV nachweisen. Der Doppelstern ist damit das erste bekannte Beispiel für eine Quelle, bei der sehr energie­reiche („very high energy“; VHE) Gammastrahlung durch kollidierende Sternwinde erzeugt wird.

„Die Analyse der von H.E.S.S. und den Satelliten gemessenen Gamma­strahlung zeigt, dass sie sich am besten als Produkt hochbeschleu­nigter Atomkerne deuten lässt“, betont Doktorand Ruslan Konno, der zusammen mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg eine begleitende Studie veröffentlicht hat. „Damit wären die Schock­regionen kolli­dierender Sternwinde auch ein neuer Typ natürlicher Teilchen­beschleuniger für die Kosmische Strahlung.“ Mit H.E.S.S., benannt nach dem Entdecker der Kosmischen Strahlung, Victor Franz Hess, und insbesondere mit dem Cherenkov Telescope Array (CTA), dem im chilenischen Hochland entstehenden Gammastrahlen­observatorium der nächsten Generation, hoffen die Forscher, dieses Phänomen genauer erforschen und weitere derartige Quellen entdecken zu können.

DESY / JOL

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