03.07.2014

Die Freiheit der Elektronen währt nur kurz

Pump-Probe-Experimente mit Attosekunden-XUV-Pulsen lösen Dynamik in Nanoplasmen auf.

Während der Wechselwirkung eines intensiven extrem-ultra­violetten Laser­pulses mit einem Cluster entstehen viele Ionen und freie Elektronen, was zur Bildung eines Plasmas auf der Nanometer-Skala führt. Ein Großteil der Elektronen bleibt im Cluster gefangen und rekombiniert. In einem neuartigen Ansatz unter der Verwendung einer XUV-Quelle im Labor-Maßstab haben Forscher nun die Zeitskala dieser Elektronen-Ionen Rekombinations­prozesse untersucht, die im Pikosekunden­bereich liegt. Wie die Ergebnisse zeigen ist es sogar möglich, den Laser-induzierten Expansionsprozess des Clusters bis hin zu Nanosekunden zu verfolgen.

Abb.: Zeitaufgelöste Xe+-Ionen-Ausbeute nach XUV-Ionisation von gemischten Clustern bestehend aus einem Xenon-Kern und einer Argon-Hülle. Ein NIR-Puls bei zwei verschiedenen Intensitäten dient zum Abtasten. Bei einer Intensität von 2×1013 W/cm2 hat die Ionen-Ausbeute ein Maximum bei einer Verzögerungszeit von etwa 3 ps aufgrund eines gut bekannten Plasma-Resonanz-Effekts. Bei der geringeren Intensität von 2×1012 W/cm2 steigt das Signal während der ersten 10 ps monoton an und ergibt die Zeitskala der Elektronen-Ionen-Rekombination. (Bild: B. Schütte et al., MBI)

Die Erzeugung einer großen Anzahl von Ladungen in einem Cluster durch einen intensiven Lichtpuls kann zur Bildung eines vorüber­gehenden Nanoplasmas führen, das aus freien Elektronen und Ionen besteht. In der Vergangenheit konnten bereits faszinierende Prozesse in Nanoplasmen beobachtet werden, wie die Kernfusion oder auch die Erzeugung neutraler Atome mit sehr hohen kinetischen Energien. Während Nanoplasmen routinemäßig während der Wechsel­wirkung von Clustern mit intensiven XUV-Pulsen von Freie-Elektronen-Lasern entstehen, ist ein detailliertes Verständnis der Prozesse innerhalb des Plasmas herausfordernd. Theoretische Modelle haben vorhergesagt, dass der Großteil der Elektronen im Cluster gefangen bleibt und letztlich mit Ionen rekombinieren kann, sowohl Elektronen als auch Ionen lassen sich in gewöhnlichen Experimenten deshalb nicht beobachten.

Eine experimentelle Untersuchung dieser Dynamiken ist jedoch äußerst wichtig, da die Prozesse in Clustern komplex und vielfältig sind und ihre detaillierte Vorhersage schwierig ist. Ein vielversprechender Weg zu einem besseren Verständnis der verschiedenen Mechanismen In Nanoplasmen ist die Entwicklung zeitaufgelöster Experimente. In diesem Zusammenhang sind intensive Quellen aus Höherer-Harmonischen-Generation (HHG) besonders interessant, die Lichtpulse bis hinunter in den Attosekunden-Bereich erzeugen können. Diese XUV-Quellen im Labor-Maßstab erlauben auf einfache Weise die Durchführung von Pump-Probe-Experimenten an Clustern und können die Möglichkeiten, Dynamiken in Clustern zu verstehen, erheblich verbessern.

Bernd Schütte, Marc Vrakking und Arnaud Rouzée vom Max-Born-Institut, Filippo Campi von der Universität aus Lund und Mathias Arbeiter und Thomas Fennel von der Universität Rostock konnten nun das erste Pump-Probe-Experiment an Clustern mit einer intensiven HHG-Quelle durchführen. Die Entwicklung einer Technik der Reionization of Excited Atoms from Recombination, REAR, zu Deutsch Reionisation angeregter Atome aus der Rekombination, ermöglicht es zum ersten Mal, Information über Ladungs­zustände vor der Rekombi­nation rückzuschließen.

Abb.: (a) Zweidimensionale Impulsabbildung von Elektronen, die die Impulsverteilung der emittierten Elektronen in paralleler (vertikal) und senkrechter Richtung (horizontal) zur XUV/NIR Laser Polarisationsrichtung zeigt, nach XUV-Ionisation und NIR-Probepuls an Argon Clustern mit einer durchschnittlichen Größe von 3500 Atomen. Die Ring-Struktur entspricht der Ionisation von angeregten Atomen durch den NIR-Puls. (b) Das entsprechende kinetische-Energie-Spektrum zeigt ein Maximum bei einer Energie von 0,6 eV, welcher aus der NIR Einzel­photonen-Ionisation der 4d und 5p angeregten Zustände in Argon resultiert. (Bild: B. Schütte et al., MBI)

Mit der Hilfe von Probe-Pulsen im Nahinfrarot-Bereich zwigte sich eine überraschend umfangreiche Erzeugung von angeregten Atomen, die aus Rekombinations­prozessen zwischen Elektronen und Ionen stammen. Dabei sind die Elektronen im Nanoplasma nur für eine kurze Zeitspanne von bis zu zehn Pikosekunden quasi-frei sind, bevor sie Rekombinations­prozesse mit umgebenden Ionen eingehen. Mehr Information über diese Mechanismen stammt von der Erzeugung spezieller Cluster, die aus einem Xenon-Kern und einer Argon-Hülle bestehen.

Wie diese Untersuchungen belegen, findet die Rekombination bevorzugt im Xenon-Kern des Clusters. Die Wellenlänge des ionisierenden Laserpulses, der mit dem Cluster wechselwirkt, erweist sich dabei als unwichtig: Es entstehen auch angeregte Atome aus Rekombinations­prozessen, wenn NIR oder blaues Licht anstatt der XUV-Pulse zum Einsatz kam. Dies erklärt frühere Experimente, die in verschiedenen Wellenlängen-Bereichen durchgeführt wurden. Des Weiteren ließ sich mithilfe der REAR-Technik die Expansion des Clusters bis in den Nanosekunden-Bereich verfolgen.

Die Ergebnisse zeigen die bemerkenswerte Vielseitigkeit intensiver HHG-Pulse für die Studie von dynamischen Prozessen in Clustern auf. In Zukunft dürfte die Untersuchung von anderen ausgedehnten Systemen wie Biomolekülen von der Verfügbarkeit dieser XUV-Lichtquellen im Labor-Maßstab profitieren.

FVB / OD

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