19.10.2021

Die Form intergalaktischer Rauchfahnen

Ausbreitung von heißen Gasen unter Einfluss eines schwarzen Lochs analysiert.

Ein inter­nationales Team unter Beteiligung der Universität Hamburg hat zum ersten Mal die Entwicklung von heißem Gas beobachtet, das von einem aktiven schwarzen Loch stammt. Diese Strukturen, die stark an Rauchfahnen von Vulkan­ausbrüchen erinnern, konnten in einem noch nie dage­wesenen Detailreichtum und auf einer Zeitskala von hundert Millionen Jahren beobachtet werden. Die dabei entstandene Studie konzen­trierte sich auf das System Nest200047 - eine Gruppe von etwa 20 Galaxien in rund 200 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Abb.: Die Strukturen aus heißem Gas bilden die wiederkehrende Aktivität...
Abb.: Die Strukturen aus heißem Gas bilden die wiederkehrende Aktivität supermasse­reicher schwarzer Löcher ab, die bis zu 200 Millionen Jahre zurückreicht. Sie haben Einfluss auf die Entwicklung des inter­galaktischen Mediums. (Bild: M. Brienza, LOFAR)

Die zentrale Galaxie des Systems Nest200047 beherbergt ein aktives schwarzes Loch, um das herum die Forschenden Gasblasen, einige unbekannte Filamente von relativis­tischen Teilchen und Magnetfeldern in einer Größe von Hundert­tausenden von Lichtjahren beobachteten. Diese Beobach­tungen waren dank Lofar – Low Frequency Array, dem größten Niederfrequenz-Radioteleskop der Welt, möglich. Lofar kann Radiowellen auffangen, die von den sehr schnellen elektrisch geladenen Teilchen erzeugt werden. Dieses hochmoderne Instrument ist das Ergebnis großer wissen­schaftlicher Anstrengungen von neun europäischen Ländern und ermöglichte es, in die Zeit vor mehr als 100 Millionen Jahren zurückzugehen und die Aktivität des schwarzen Lochs im Zentrum von Nest200047 nachzu­vollziehen.

„Unsere Untersuchung zeigt, wie sich diese durch das schwarze Loch beschleunigten Gasblasen ausdehnen und im Laufe der Zeit verändern. Dabei entstehen spektakuläre pilzförmige Strukturen, Ringe und Filamente, die denen eines gewaltigen Vulkan­ausbruchs auf der Erde ähneln“, erklärt Marcus Brüggen vom Exzellenzcluster Quantum Universe der Universität Hamburg. Im Kern jeder Galaxie befindet sich ein supermassives schwarzes Loch mit einer Masse von mehreren Millionen Sonnen­massen. Die Aktivität eines solchen schwarzen Lochs hat einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Galaxie und der inter­galaktischen Umgebung, in der sie sich befindet. Seit Jahren versuchen Forscher heraus­zufinden, auf welche Art und Weise und in welchem Tempo die Aktivität dieser schwarzen Löcher diese Aktivitäten hervorruft.

Wenn schwarze Löcher aktiv sind, ziehen sie Umgebungsgas an und setzen dabei enorme Mengen an Energie frei. Manchmal erfolgt die Energie­freisetzung in Form von Teilchen­strömen, die sich mit Licht­geschwindigkeit bewegen und Radiowellen erzeugen. Diese Ströme wiederum erzeugen Blasen, die langsam aufsteigen und das sie umgebende inter­galaktische Medium aufheizen. Dies hat einen immensen Einfluss auf die Entwicklung des inter­galaktischen Mediums und folglich auch auf die weitere Entwicklung der Galaxie, zum Beispiel ob sie weiter anwächst. „Die Studie zeigt, dass sich der Einfluss aktiver schwarzer Löcher auf Skalen bewegt, die bis zu hundert Mal größer sind als die umgebende Galaxie selbst, und dass ein solcher Einfluss bis zu Hunderte von Millionen Jahren andauert“, erläutert Franceso de Gasperin.

Für ihre Arbeit nutzten die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler auch Beobachtungen von eROSITA, dem neuen Röntgenteleskop an Bord des russisch-deutschen Weltraum­observatoriums „Spectrum-Roentgen-Gamma“ (SRG), an dem die Universität Hamburg maßgeblich beteiligt ist. Diese Beobachtungen brachten weitere unerwartete Entdeckungen mit sich: dünne Gas­filamente, die sich fast mit Licht­geschwindigkeit bewegen und eine Million Lichtjahre große Magnet­felder.

U. Hamburg / JOL

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