18.03.2015

Dem Quantenschaum auf der Spur

Verfeinerte Analyse eines Gammablitzes liefert neuartiges Nullresultat.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie hat sich bei zahllosen Experimenten und Beobachtungen bewährt. Doch spätestens auf der Planck-Skala, wenn Quanteneffekte das klassische Raumzeit-Kontinuum auflösen und zu einem Quantenschaum machen, muss die Relativitätstheorie versagen. Hinweise auf die Quantisierung von Raum und Zeit hofft man in Gammablitzen aus den Tiefen des Alls zu finden. Eine verfeinerte Analyse hat jetzt ein neuartiges Nullresultat gebracht.

Abb.: Die Lichtkurve des Gammablitzes GRB090510. Aufgetragen ist die Zahl der Photonen in Bins von fünf Millisekunden Länge gegen die Zeit in Sekunden. Aus den Photonen mit Energien bis 300 MeV (weiße Balken) wurde der Verlauf des Blitzes rekonstruiert. Anhand der Photonen mit höheren Energien (graue Balken) wurde getestet, ob die Lichtgeschwindigkeit energieabhängige Schwankungen zeigt. (V. Vasileiou et al. / NPG)

Schon Albert Einstein hatte sich Gedanken darüber gemacht, wie die Allgemeine Relativitätstheorie durch Quanteneffekte an ihre Gültigkeits­grenzen stößt. Umkreisen sich etwa zwei elektrisch neutrale Teilchen unter der anziehenden Wirkung ihre Schwerkraft, so müssen ihre Energien quantisiert sein. Doch diese Quanteneffekte sind viel zu klein für eine direkte Beobachtung. Besser stehen die Chancen auf verräterische Anzeichen für die schaumige quantenphysikalische Feinstruktur des Raumzeit-Kontinuums, wenn sich Photonen über kosmische Distanzen unterschiedlich schnell bewegen. Damit wäre nicht nur die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verletzt, sondern auch die Lorentz-Invarianz, die der Allgemeinen Relativitätstheorie zugrundeliegt.

Auf der Femtometer- und GeV-Skala ist der vermeintlich leere Raum erfüllt von zahllosen kurzlebigen virtuellen Teilchen, die die physikalischen Eigen­schaften des Vakuums und der in ihm vorhandenen realen Teilchen verändern. Auf der Skala der Planck-Länge von 10-35 m und der Planck-Energie von 1019 GeV wird das Raumzeitkontinuum von zahllosen virtuellen schwarzen Minilöchern, Wurmlöchern und anderen exotischen Strukturen erfüllten, die seine Struktur völlig auflösen. Was dabei entsteht, hat John Archibald Wheeler eben den „Quantenschaum“ genannt.

Man erwartet, dass Photonen unterschiedlicher Energie die Feinstruktur des Quantenschaums in unterschiedlicher Weise austesten, also unterschiedlich schnell vorankommen. Die Größe dieses Effekts ist durch das Verhältnis der Photonenenergie und der Planck-Energie gegeben, das normalerweise extrem klein ist. Aber wenn Photonen von einigen GeV, die in derselben Millisekunde losfliegen, nach Durchqueren von einigen Milliarden Lichtjahren von einem Detektor registriert werden, könnten auch extrem geringe Geschwindigkeitsunterschiede zutage treten.

Solche Photonen, die bei dem extrem hellen Gammablitz GRB090510 etwa zehn Milliarden Lichtjahren zurückgelegt hatten, wurden 2009 vom Fermi Large Area Telescope aufgefangen. Sie besaßen Energien von bis zu 31 GeV, während der Blitz etwa eine Sekunde dauerte und dabei zehn Millisekunden lange Feinstrukturen aufwies. Die damals registrierten Photonen wurden noch im selben Jahr eingehend analysiert. Es ergab sich kein Hinweis auf eine energieabhängige Lichtgeschwindigkeit und damit auf eine deterministische Verletzung der Lorentz-Invarianz.

Daneben kann der Quantenschaum aber auch eine statistische Verletzung der Lorentz-Invarianz verursachen, die sich dadurch äußert, dass Photonen derselben Energie unterschiedlich lange unterwegs sind, auch wenn sie praktisch zur selben Zeit denselben Weg zurückgelegt haben. Dieser Unterschied kommt dadurch zustande, dass sich der Quantenschaum fortwährend verändert. Schon nach einer Planck-Zeit bietet sich einem Photon ein auf der Skala der Planck-Länge völlig veränderter Weg dar.

Vlasios Vasileiou von der Université Montpellier und seine Kollegen haben die alten GRB090510-Daten mit einem aufwändigen Verfahren neu analysiert. Dabei nahmen sie an, dass die Geschwindigkeit der einzelnen Photonen nicht deterministisch gegeben ist, sondern eine Unsicherheit aufweist, die linear von der Photonenenergie abhängt. Die aufgefangenen Photonen teilten die Forscher in zwei Energiegruppen. Aus den Photonen mit Energien bis 300 MeV rekonstruierten sie zunächst den Verlauf des Gammablitzes. Dann führten sie umfangreiche Simulationen durch, mit denen sie ermittelten, wie sich die statistischen Geschwindigkeitsschwankungen der Photonen auf die Ankunftszeiten von Photonen mit Energie von über 300 MeV auswirken sollten. Das verglichen sie anschließend mit den tatsächlich gemessenen Ankunftszeiten der energiereichen Photonen und zogen daraus Rückschlüsse auf die Geschwindigkeitsschwankungen. Wie schon vor sechs Jahren gab es auch diesmal ein Nullresultat mit Fehlerbalken vergleichbarer Größe. Demnach traten also keine messbaren Geschwindigkeitsschwankungen auf.

Von Messungen zukünftiger Gammablitze mit dem Fermi Large Area Telescope sowie mit dem geplanten Cherenkov Telescope Array, das noch höhere Photonenenergien abdecken wird, erhofft man sich eine genauere Überprüfung der Lorentz-Invarianz, sowohl der deterministischen als auch der statistischen. Irgendwann muss sich der Quantenschaum ja einmal verraten.

Rainer Scharf

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