13.08.2020 • Energie

Dem Blackout vorbeugen

Autonome Transportsystemflotten spielen wichtige Rolle für stabile Stromversorgung im Krisenfall.

Klimawandel, Natur­katastrophen, Cyber­angriffe, Energie­wende – es gibt viele Faktoren, die unsere Stromversorgung gefährden können. Ein lang anhaltender Stromausfall etwa könnte dramatische Auswirkungen haben. Die Trink­wasser­versorgung würde zusammenbrechen, ebenso wie der Bahnverkehr, das Telefonnetz, die Straßenbeleuchtung und vieles mehr. Die aktuelle Notfall­strategie: Wenn das örtliche Stromnetz ausfällt, halten Diesel­generatoren die Energie­versorgung aufrecht. Die Notstrom­aggregate sollen für Sicherheit von Menschen und Geräten – etwa in Krankenhäusern – sorgen. „Ein solcher Notbetrieb funktioniert über drei Tage, aber nicht bei einem einwöchigen Stromausfall. Dann sind die Treibstoff­reserven aufgebraucht. Hinzu kommt, dass sich für viele kritische Klein­verbraucher wie Wasser­pumpen oder Kommunikations­knoten ein wartungs­intensives Vorhalten von Notstrom­aggregaten nicht rentiert“, sagt Jan Reich, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE. 
 

Abb.: Viele Komponenten gehören zu einer sicheren Energie­versorgung. (Bild:...
Abb.: Viele Komponenten gehören zu einer sicheren Energie­versorgung. (Bild: I. Torlin / Shutterstock)

Im Projekt SmartKRIT untersuchen der Forscher und seine Kollegen von den Fraunhofer-Instituten für Integrierte Systeme und Bau­elemente­technologie IISB und für Natur­wissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT, wie sich die Strom­versorgung solcher kritischer Infra­strukturen im Krisenfall ausfallsicher gestalten lässt. Im Vorhaben entwickeln sie alternative Lösungen, um im Katastrophen­fall so schnell wie möglich Maßnahmen einleiten und rasch wieder zur Ausgangs­situation zurückkehren zu können.

Die Idee: Vernetzte Elektro­fahrzeuge sollen die benötigte Energie von den Erzeugern zu den Verbrauchern transportieren, die wiederum mit entsprechenden bidirektionalen Lade­schnitt­stellen ausgestattet sind. „Natürlich lässt sich das nicht in einem oder zwei Jahren realisieren. Wir haben jedoch die Vision, dass sich unser Konzept in etwa zehn Jahren umsetzen lässt, wenn die Verbreitung von entsprechenden mobilen Energie­speichern und von vernetzten automatisierten Fahrzeugen zugenommen hat“, so der Informatiker.

Die Koordination der Elektrofahrzeuge, Erzeuger und Verbraucher erfolgt digital über eine zentrale Leitstelle. Eine eigens entwickelte Planungs­hilfe zum Resilienz­management soll Städte bei den komplexen Steuerungsabläufen unterstützen. Eine Laufzeit-Software-Plattform ermöglicht darüber hinaus künftig die prioritäts­basierte Überwachung einer dynamischen Energie­versorgung mit autonomen Fahrzeugen. „Welche Verbraucher müssen aktuell mit Energie versorgt werden, welcher Energie­erzeuger kann Energie-Kapazitäten zur Verfügung stellen, wo befinden sich die einzelnen Transport­systeme der Fahrzeugflotte – alle diese Informationen laufen in der Software-Plattform zusammen“, erläutert Reich.

Algorithmen berechnen das optimale Zusammenspiel aller Verbraucher, Transport­systeme und Ressourcen wie etwa Windräder, Solar­panels, Blockheiz­kraftwerke und Industrie­anlagen. Als Energie­speicher sollen nicht die Batterien der E-Fahrzeuge genutzt werden, sondern mobile Akkus.

Ziel ist es, eine Echtzeit-Informations­grundlage über Energie­angebot, -übertragungs­kapazität und -bedarf zu schaffen, die Krisenstäbe bei Entscheidungen zur optimalen Energie­versorgung unterstützt. Die Verantwortlichen werden in die Lage versetzt, schnell und effektiv auf dynamische Veränderungen des verfügbaren Energieangebots und der Verbraucher­kapazitäten reagieren zu können. Entscheidendes Hilfsmittel bei der Umsetzung sind digitale Zwillinge, die das komplette System digital repräsentieren. „Beispiels­weise ermöglicht es die in einer Wind­kraftanlage verbaute Sensorik, Informationen zu digitalisieren und den Zustand der Anlage im digitalen Zwilling zu speichern. So lässt sich für jeden Erzeuger und für jeden Verbraucher eine digitale Repräsentanz etablieren, die relevante Informationen wie die verfügbare Strommenge, den aktuellen Energiebedarf sowie den Zustand des Transport­systems in Echtzeit liefert.“

Auf dem Weg zur fertigen Lösung wurde im ersten Schritt im März dieses Jahres eine Machbar­keits­studie des SmartKRIT-Konzepts für die Modellregion Kaisers­lautern gestartet. Die Projektpartner prüfen, welche Rahmen­bedingungen gegeben sein müssen, um die Energie­versorgung mit E-Fahrzeugflotten realisieren zu können. Zahlreiche Faktoren wie die Anzahl und Reichweite der E-PKWs, die Ladezeit und Größe der Akkus, die Profile der Windkraft- und Solaranlagen werden im Konzept berücksichtigt, um im Notfall die erforderlichen Routen­pläne erstellen zu können. Dabei werden bestehende Lastprofile der städtischen Versorgungs­anlagen herangezogen. „Wir fangen ja nicht bei Null an, es existieren bereits Konzepte für Notfall­szenarien. Diese gilt es zu analysieren, zu optimieren und zu flexibilisieren“, so der Forscher.

Fh.-Ges. / DE
 

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