12.01.2022

Bessere Aerodynamik durch analytische Lösungen

Logarithmisches Wandgesetz liefert Mittelwerte für turbulente Strömungen.

Was hat ein hundert Jahre lang ungelöstes Mathematik-Problem mit dem Spritverbrauch von Flugzeugen zu tun? Eine ganze Menge, wenn es sich mit der Berechnung des Luft­wider­stands beschäftigt. Ein Team um Martin Oberlack von der TU Darmstadt hat jetzt eine Lösung gefunden, die aufwändige Versuche in riesigen Windkanälen zum Teil überflüssig machen könnte. Die neue Methode vereinfacht die Berechnung der Aerodynamik entlang einer ebenen Oberfläche erheblich. Sie könnte Computer­simulationen ermöglichen, die heute sogar die leistungs­stärksten Supercomputer überfordern.

Abb.: Martin Oberlack von der TU Darm­stadt und sein Team analy­sieren...
Abb.: Martin Oberlack von der TU Darm­stadt und sein Team analy­sieren turbulente Luft­strömungen um Flug­zeuge. (Bild: TU Darm­stadt)

„Um die Luftströmungen um einen Airbus 380 zu simulieren, wäre ein Großrechner nötig, wie er wohl erst in vierzig Jahren existieren wird“, sagt Oberlack. Denn unzählige winzige Turbulenzen machen die Simulation extrem aufwändig. Daher vermessen Forscher die Luft­strömungen direkt am Objekt, in Windkanälen. „Auch das ist ein gigantischer Aufwand, den man sich gerne sparen würde“, so Oberlack. Er sieht die Lösung des Dilemmas darin, die Simulationen für heutige Rechner handhabbar zu machen. Dann ließen sich digitale Modelle von Bauteilen, etwa Landeklappen, in einen virtuellen Luftstrom stellen.

Wie aber lassen sich die Computer­simulationen vereinfachen? „Statt jeden einzelnen Luftwirbel zu berechnen, würde es reichen, statistische Mittelwerte wie die mittlere Geschwindig­keit der Luft zu simulieren“, sagt der Forscher. Doch der Versuch erzeugt ein neues Problem. Um die gesuchten Mittelwerte ausrechnen, muss man die Navier-Stokes-Gleichungen umformen. Diese beschreiben allgemein Strömungen von Flüssigkeiten und Gasen. Die Umformung ergibt jedoch eine unendlich lange Kette neuer Gleichungen. „Auch die vielen neuen Gleichungen kann ein Rechner nicht bewältigen“, erklärt Oberlack.

Die Wissenschaftler wichen daher ins Analoge aus: Sie lösten die Gleichungen mit Papier und Bleistift, also durch mathematische Analyse. Startpunkt war ein aero­dynamisches Gesetz, das den Luftstrom entlang einer ebenen Fläche beschreibt, das logarithmische Wandgesetz, entdeckt von Theodore von Karman vor hundert Jahren.

Oberlacks Team bewies, dass dieses Gesetz eine Lösung der ersten Gleichung aus der genannten unendlichen Kette von Gleichungen ist. Doch es kam noch besser. „Aus dieser Lösung ergeben sich auch Lösungen aller weiteren Gleichungen“, sagt Oberlack. Somit lassen sich alle statistischen Größen wie die mittlere Geschwindig­keit und weiterer Größen wie die Varianz berechnen.

Allerdings gilt das nur für den Spezialfall einer ebenen Fläche. Diesen simplen Fall kann auch ein Superrechner noch sehr genau lösen, braucht jedoch sehr lange dafür: Selbst einer der weltweit stärksten Supercomputer am Leibniz-Rechen­zentrum in Garching rechnete drei Jahre lang. Schließlich bestätigte der Rechner die neue Gesetze der Forscher um Oberlack. Eine Landeklappe ist freilich viel komplizierter geformt. „Wir sind aber vorsichtig optimistisch, dass wir auch dafür Lösungen finden werden“, sagt Oberlack. Das Team habe bereits Ideen. Luftkanäle bekommen also Konkurrenz aus dem Reich der Mathematik.

TU Darmstadt / RK

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