26.01.2023

Berlin erhält ein abhörsicheres Quantennetzwerk

Ehrgeiziges Verbundprojekt startet an der Technischen Universität Berlin.

Im Verbundprojekt „tubLAN Q.0“ etnsteht ein abhörsicheres Quanten­netzwerk im Herzen Berlins entstehen. Ausgangspunkt dafür ist die Technische Universität im Westen der Stadt. Hier sollen für einen ersten Test des Verfahrens vom Eugene-Paul-Wigner-Gebäude aus zwei verschiedene Verbindungen auf dem Campus Charlotten­burg eingerichtet werden: einmal über Glasfasern zum TU-Hauptgebäude an der Straße des 17. Juni, und einmal über eine optische Verbindung durch die Luft zum TU-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz. Die verwendete Methode, bei der geheime Schlüssel über einzelne Lichtteilchen zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht werden, ist in der Theorie durch quanten­physikalische Prinzipien absolut sicher. Bei tubLAN Q.0 soll nun diese theoretische Sicherheit durch technische Innovationen auch in der praktischen Anwendung realisiert werden.

Abb.: Aufbau der Komponenten des geplanten Quanten­netzwerkes. (Bild: F. Noak,...
Abb.: Aufbau der Komponenten des geplanten Quanten­netzwerkes. (Bild: F. Noak, TU Berlin)

Für die Verschlüsselung nutzen die Forschenden, dass die Wellenpakete in verschiedene Richtungen bezogen auf ihre Ausbreitungsrichtung schwingen können. Definiert man nun die eine Schwingungsrichtung als 0 und die andere als 1, kann man mit Hilfe der Photonen Schlüssel aus Nullen und Einsen übertragen. Mit solch einem Schlüssel überlagert dann der Sender die eigentliche Nachricht – ist der Schlüssel genauso lang wie diese, ist damit die Nachricht vollständig im Schlüssel versteckt und niemals zu entziffern. Nur der Empfänger kann die Nachricht mit dem zuvor empfangenen Schlüssel decodieren.

Zwei Dinge sind bei diesem Verfahren besonders: Einerseits sind aus quanten­mechanischen Gründen die Schlüssel rein zufällig, was die Codierung der Nachricht zu einhundert Prozent sicher macht. Vor allem aber kann bei der Über­tragung der Schlüssel ein Lauscher in der Leitung enttarnt werden, denn gemäß den Regeln der Quantenmechanik würde er bei der Messung der Photonen diese verändern. „Tatsächlich ist das Verfahren komplexer“, erklärt Verbund­koordinator Tobias Heindel, Leiter der BMBF-geförderten Nachwuchs­gruppe „Quanten­kommunikations­systeme“ an der TU Berlin. So werden nicht nur vertikal und horizontal, sondern auch um 45 Grad gedrehte Schwingungs­richtungen verwendet, die jeweils mit passenden Filtern eingestellt und gemessen werden können. Wie die Filter eingesetzt werden und wie sich Sender und Empfänger über einzelne Mess­ergebnisse austauschen, um einen Lauscher zu entlarven, wird in komplizierten Protokollen fest­geschrieben.

„Oft klafft zwischen diesen informations­theoretisch sicheren Protokollen und ihrer Umsetzung mit realen Messgeräten eine Lücke, da in den Protokollen gemachte Annahmen durch die Technik nicht vollständig erfüllt werden können“, sagt Heindel. „Das öffnet Seitenkanal­attacken die Tür, bei denen Angrei­ferinnen und Angreifer genau diese Lücke ausnutzen.“ In tubLAN Q.0 sollen nun diese Gefahren beim Schlüssel­austausch über Glasfasern zwischen zwei Orten A und B durch die Einführung einer Zentralstation minimiert werden, an die sowohl A wie B Photonen schicken. Diese werden in der Zentrale gemeinsam gemessen und A und B erhalten über normale, klassische Leitungen die Mess­ergebnisse. In Kombination mit den nur bei A und B bekannten Schwingungs­richtungen der gesandten Photonen können die beiden Parteien anschließend einen sicheren Schlüssel generieren. „Das tolle an diesem Verfahren ist, dass die Zentral­station noch nicht einmal besonders geschützt werden muss, denn ein Spion kann mit den dort gemessenen Werten ohne die bei A und B vorhandenen Infor­mationen gar nichts anfangen“, betont Heindel.

Zwischen dem TU-Hauptgebäude als Zentral­station und zwei Räumen im Eugene-Paul-Wigner-Gebäude als A und B soll nun weltweit erstmalig dieses Verfahren – „Measurement-Device-Independent Quantum Key Distri­bution“ (MDI-QKD) – mit räumlich getrennten Quanten-Lichtquellen eingesetzt werden. Durch die zentrale Architektur eignet es sich hervorragend für ein städtisches Netzwerk mit vielen verschiedenen Teilnehmern, die alle miteinander kommunizieren möchten. „Großstädte mit solchen urbanen Quanten­netzwerken könnten in Zukunft über Satelliten miteinander verbunden werden“, sagt Heindel. Für dieses Szenario sollen wertvolle Erfahrungen bei der optischen Übertragung durch die Luft vom Eugene-Paul-Wigner-Gebäude zum TU-Hochhaus gewonnen werden.

Auch bei den Lichtquellen für die Aussendung der Photonen wird tubLAN Q.0 Neuland betreten. Alle bisher realisierten Quantennetzwerke, wie etwa in Wien, Cambridge (England) oder Hefei (China) benutzen dazu Laser. Diese senden aber nicht in allen Fällen die benötigten einzelnen Photonen aus, sondern häufig auch Gruppen von zwei oder mehr. Diese können dann jedoch nicht für die Herstellung des Quanten­schlüssels verwendet werden und verringern somit die Übertragungs­rate. „Da ja die verwendeten Schlüssel genauso lang sein müssen wie die Nachricht selbst, verlangsamt sich das Verfahren dadurch merklich“, sagt Heindel. „Wir werden deshalb zum ersten Mal in einer realistischen Netzwerkumgebung reine Einzelphotonen­quellen verwenden, die tatsächlich nur jeweils ein einziges Lichtteilchen aussenden.“

Für das Glasfaser-Netzwerk werden diese Einzelphotonen­quellen von der Arbeitsgruppe von Stephan Reitzen­stein an der TU Berlin entwickelt. Bei der Freiluft-Übertragung kommen Quellen zum Einsatz, die gemeinsam von Forschungs­gruppen an der Universität Oldenburg, der Hochschule Emden-Leer sowie der Universität Jena gebaut werden. Die Simulation und theo­retische Modellierung der experimentellen Resultate erfolgt in Zusammenarbeit mit der durch das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) geförderten Nachwuchs­gruppe von Anna Pappa an der TU Berlin. Das Projekt wird vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,4 Millionen Euro gefördert.

TU Berlin / JOL

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