15.08.2019

Atomare Prozesse in heißen Supraleitern

Fundamentale Wechselwirkungen von Wasserstoffatomen in Metallhydriden untersucht.

Supraleiter könnten die Energie­versorgung eines Tages revolutionieren. Dafür müssen sie allerdings auch bei Raum­temperatur in der Lage sein, elektrischen Strom ohne Widerstand zu transportieren. Im Unterschied zu anderen Supra­leitern besitzen wasserstoff­reiche Metallhydride diese Fähigkeit nicht erst bei extremer Kälte, sondern schon bei Tiefkühl­schrank-Temperaturen. Die Ursache hierfür sind atomare Prozesse, die ein Forschungsteam der Universität Bayreuth jetzt erstmals experi­mentell nachgewiesen hat und theoretisch erklären konnte. Die neuen Erkennt­nisse enthalten wertvolle Ansatzpunkte für die Entwicklung techno­logisch attraktiver Supra­leiter.

Abb.: Diese Arbeits­gruppe der Universität Bayreuth untersucht atomare...
Abb.: Diese Arbeits­gruppe der Universität Bayreuth untersucht atomare Prozesse in supra­leitenden Metall­hydriden. (Bild: U. Bayreuth)

In den letzten fünf Jahren ist es Wissenschaftlern an verschiedenen Forschungs­einrichtungen gelungen, unter extremen Drücken wasserstoff­reiche Metallhydride herzustellen, die bei etwa minus zwanzig Grad Celsius supraleitend werden. Diese Sprung­temperatur liegt somit bei Metall­hydriden erheblich höher als bei allen anderen Supraleitern, die nur bei extremer Kälte unterhalb von minus 200 Grad Celsius Strom ohne Widerstand transportieren. Die Ursachen dafür, dass es sich bei Metall­hydriden anders verhält, lagen bisher im Dunkeln. Die Forscher am Bayerischen Geoinstitut (BGI) und am Labor für Kristal­lographie der Universität Bayreuth haben nun die funda­mentalen Wechsel­wirkungen von Wasserstoff­atomen in Metall­hydriden entdeckt und erklärt. 

„Wir verfügen jetzt über wertvolle Ansatzpunkte für das Design von Metall­hydriden, die möglicher­weise bei noch höheren Temperaturen supraleitend werden. Mit den neuen Technologien der Hochdruckf­orschung im Bayerischen Geoinstitut können wir diese Materialien synthetisieren und unsere Vorhersagen direkt vor Ort empirisch überprüfen. Die Messungen unter Hochdruck wirken wiederum auf unsere theo­retischen Annahmen zurück. Dadurch ermöglichen sie immer präzisere Vorher­sagen der atomaren Prozesse, die Metallhydride in den supra­leitenden Zustand versetzen“, sagt Thomas Meier, der Leiter des Bayreuther Forschungsteams.

Die Vision der Forscher reicht weit in die Zukunft: Im Wechselspiel von theoretischen Vorhersagen und empirischen Messungen wollen sie Materialien synthetisieren, deren Sprung­temperaturen sich der normalen Raumtemperatur immer weiter annähern. Diese Materialien könnten eines Tages tatsächlich eine zentrale Bedeutung für den verlustfreien Transport elektrischer Energie gewinnen. Bis dahin ist allerdings noch eine andere Hürde zu überwinden: Die bisher untersuchten Metall­hydride sind nur solange supraleitend, wie der hohe Kompressions­druck anhält, unter dem sie entstanden sind. Sinkt der Druck, zerfallen die Materialien. Aber nur dann, wenn Supraleiter mit einer hohen Sprung­temperatur sich unter normalen Umgebungs­bedingungen als stabil erweisen, kommen sie für techno­logische Anwendungen infrage.

Die neuen Erkenntnisse zu atomaren Prozessen in wasserstoff­reichen Metall­hydriden konnten dadurch erzielt werden, dass die Forscher zeitgleich zwei Technologien angewendet haben: die geo- und material­wissenschaftliche Hochdruckf­orschung und die Kernresonanz­spektroskopie. 

U. Bayreuth / JOL

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