28.07.2021

Antimaterie aus der Laserzange

Neue Methode für Erforschung astrophysikalischer Prozesse im Labor.

In den Tiefen des Alls gibt es Himmelskörper, auf denen extreme Bedingungen herrschen: Rasend schnell rotierende Neutronen­sterne erzeugen superstarke Magnetfelder. Und schwarze Löcher können durch ihre enorme Gravitation dafür sorgen, dass riesige, energiereiche Materie­strahlen in den Weltraum schießen. Ein inter­nationales Physikteam unter Mitwirkung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf hat nun ein neues Konzept vorgeschlagen, mit dem sich manche dieser Extrem­prozesse künftig im Labor untersuchen lassen könnten: Ein spezielles Setup aus zwei hoch­intensiven Laserstrahlen könnte Bedingungen erzeugen, ähnlich wie sie in der Nähe von Neutronen­sternen herrschen. Dabei wird ein Anti­materie-Jet erzeugt und sehr effizient beschleunigt.

Abb.: Die Aufnahmen zeigen, wie sich die Dichte des Plasmas während der...
Abb.: Die Aufnahmen zeigen, wie sich die Dichte des Plasmas während der Bestrahlung mit zwei gegen­läufigen Hoch­intensitäts-Laser­pulsen zeitlich entwickelt. Hochener­getische Strahlung ist als Gamma-Photonen-Dichte farbig hervor­gehoben. (Bild: T. Toncian)

Basis des neuen Konzepts ist ein winziger Block aus Kunststoff, durchzogen von mikrometer­feinen Kanälen. Er fungiert als Zielscheibe für zwei Laser. Diese feuern simultan ultrastarke Pulse auf den Block, einer von rechts, der andere von links – der Block wird regelrecht in die Laserzange genommen. „Wenn die Laserpulse in die Probe eindringen, beschleunigt jeder von ihnen eine Wolke aus extrem schnellen Elektronen“, erläutert Physiker Toma Toncian. „Diese beiden Elektronen­wolken rasen dann mit voller Wucht aufeinander zu und interagieren mit dem ihnen entgegenkommenden Laserpuls.“ Der anschließende Zusammen­prall ist so heftig, dass dabei extrem viele Gamma-Quanten entstehen – Lichtteilchen mit einer Energie, die sogar noch höher als die von Röntgen­strahlung ist.

Das Gewimmel an Gammaquanten ist derart groß, dass die Lichtteilchen unwei­gerlich miteinander kollidieren. Dabei sollten vor allem Elektron-Positron-Paare entstehen. Das Besondere: „Dieser Prozess wird von sehr starken Magnet­feldern begleitet“, beschreibt Projektleiter Alexey Arefiev, Physiker an der University of California in San Diego. „Die Magnetfelder können die Positronen zu einem Strahl bündeln und stark beschleunigen.“ In Zahlen: Auf einer Strecke von nur fünfzig Mikrometern sollten die Teilchen eine Energie von einem Gigaelektronen­volt erreichen – eine Größenordnung, für die es für gewöhnlich einen kompletten Teilchen­beschleuniger braucht.

Um zu prüfen, ob die ungewöhnliche Idee funktionieren könnte, testete das Team sie in einer aufwändigen Computer­simulation. Das Ergebnis ist ermutigend, im Prinzip sollte das Konzept umsetzbar sein. „Mich hat überrascht, dass die Positronen, die am Ende entstehen, in der Simulation zu einem hoch­energetischen und gebündelten Strahl geformt wurden“, freut sich Arefiev. Und die neue Methode sollte deutlich effizienter sein als die bisherigen Ideen, bei denen nur ein Laserpuls auf eine Zielscheibe gefeuert wird: Gemäß der Simulation sollte der Laser-Doppelschlag bis zu 100.000 Mal mehr Positronen erzeugen können als das Konzept der Einfach­behandlung.

„Außerdem müssten die Laser bei uns nicht ganz so stark sein wie bei anderen Konzepten“, erläutert Toncian. „Dadurch ließe sich die Idee vermutlich leichter in die Praxis umsetzen.“ Allerdings gibt es nur wenige Plätze auf der Welt, an denen sich die Methode umsetzen ließe. Geeignet wären vor allem ELI-NP – Extreme Light Infra­structure Nuclear Physics, eine noch junge Lasera­nlage in Rumänien, weitgehend finanziert von der Euro­päischen Union. Sie verfügt über zwei ultrastarke Laser, die simultan auf ein Ziel feuern können – die Grund­voraussetzung für das neue Verfahren.

Wesentliche Vorversuche aber könnten zuvor in Hamburg stattfinden: Dort steht mit dem European XFEL der leistungs­stärkste Röntgenlaser der Welt. Das HZDR führt hier das Nutzer­konsortium HIBEF an, das seit einiger Zeit Materie in extremen Zuständen ins Visier nimmt. „Bei HIBEF entwickeln Fachleute des HZDR gemeinsam mit dem Helmholtz-Institut Jena eine Plattform, mit der sich experi­mentell überprüfen lässt, ob sich die Magnetfelder tatsächlich so ausbilden wie in unseren Simu­lationen vorausgesagt“, erklärt Toma Toncian. „Das sollte sich mit den starken Röntgen­blitzen des European XFEL gut analysieren lassen.“

Für die Astrophysik wie auch für die Kernphysik könnte das neue Verfahren überaus brauchbar sein. Denn auch bei manchen Extrem­prozessen im All dürften Unmengen von Gamma-Quanten entstehen, die sich dann flugs wieder zu hoch­energetischen Teilchen materia­lisieren. „Solche Prozesse dürften sich unter anderem in der Magneto­sphäre von Pulsaren abspielen, also von schnell rotierenden Neutronen­sternen“, sagt Alexey Arefiev. „Mit unserem neuen Konzept ließen sich solche Phänomene zumindest ansatz­weise im Labor simulieren, wodurch wir sie dann besser verstehen würden.“

HZDR / JOL

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