20.04.2023

Physik mit Barrique

Lutz Kasper, Patrik Vogt: Physik mit Barrique. Eine Weinprobe in 50 Experimenten, Springer Berlin, Heidelberg, 2022, ­broschiert, 178 S., 14,99 Euro, ISBN 9783662628874

Lutz Kasper, Patrik Vogt

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Mit wie viel Physik sich der Genuss eines Glases Wein verknüpfen lässt, zeigen die Physikdidaktiker Lutz Kasper und Patrik Vogt in ihrem Buch. In acht reich illustrierten Kapiteln, die der Dramaturgie einer Weinprobe folgen und den Leser in einen unterhaltsam geführten Dialog verwickeln, entfalten die Autoren ein reichhaltiges Spektrum an Experimenten. Das umfasst neben Klassikern wie der Weinglasharmonika, Mobiles aus balancierenden Korkenziehern und Herons Weinautomat auch ­Eigenentwicklungen (z. B. Rotwein als Farbfilter) und partytaugliche Tricks (z. B. das fallende Weinglas). Die meisten Experimente lassen sich ohne spezielle Geräte realisieren.

Eröffnet wird der Reigen mit der Physik des Flaschenöffnens. Hier geht es etwa um verschiedene Techniken des Entkorkens, um das Plopp-Geräusch beim Öffnen und wie man daraus die Schallgeschwindigkeit bestimmen kann. Junger Rotwein muss atmen, bevor er serviert wird. In diesem Sinne schließt sich die Kunst des Karaffierens an. Antworten auf die Frage, durch welche Belüftung der Wein sein Aroma am besten entfaltet, geben unter anderem Experimente zum Schwenken im Dekanter oder zur Blitzbelüftung für Eilige mit dem Smoothie-Maker. 

Nun wird angestoßen und mit den Klängen der Gläser kommt die Akus­tik ins Spiel: Bei der Bestimmung der Frequenzen schwingender Weingläser und akustischer Schwebungen sowie einer weiteren Schallgeschwindigkeitsmessung an einem bauchigen Weinglas als Rauschfilter (Helmholtz-Resonator) demonstrieren die Autoren, wie einfach sich Smartphones mithilfe entsprechender Apps zur Aufzeichnung und Darstellung brauchbarer Messwerte nutzen lassen. 

Den Beschreibungen der Experimente geht stets eine Anmoderation voraus, die den Zusammenhang mit der Weinprobe herstellt und in die gelegentlich historische Exkurse eingeflochten sind. Dazu kommen Fotos von der Durchführung, grafische Darstellungen der Messergebnisse und Textboxen mit Erläuterungen zur zugrundeliegenden Physik, wie dem Archimedischen Prinzip, der Rayleigh-Streuung von Licht und der Verdampfungswärme von Flüssigkeiten.

Den Experimenten zu optischen Phänomenen (Weingläser als Linsen), zur Strömungslehre des Weins (Kleckern als Naturgesetz) und zur Bedeutung der Weintemperatur (Frappieren oder Chambrieren?) folgt das umfangreichste Kapitel „Zaubertricks und Wundersames“: Akrobatische Mechanik beginnt mit Herons Maschine zur Verwandlung von Wasser in Wein und dem Pythagoreischen Becher, der zu Genügsamkeit erziehen soll und auf dem Prinzip des hydraulischen Saughebers beruht.

Inzwischen ist die Weinprobe fortgeschritten, die Experimente werden verspielter und fordern zuletzt vollen Körpereinsatz. Es folgen Tricks mit balancierenden Korkenziehern, schwebenden und fallenden Weingläsern und schließlich ein abenteuerlicher Bruchtest, bei dem eine auf zwei gefüllten Weingläsern aufliegende Holzleiste mit einer leeren Weinflasche entzweigeschlagen wird. Dass das geht, ohne Wein zu verschütten, belegen Bilder aus einem Hochgeschwindigkeitsvideo. 

Ausgetrunken: Den Abschluss bilden „Experimente mit Restalkohol“. Die Frage danach, wer die Zeche zahlt, führt zu Otto von Guericke, dem es nach publikumswirksamen Vorführungen seiner Luftdruck- und Vakuumexperimente offenbar gelang, diese an den physikbegeisterten Kurfürsten von Mainz zu verkaufen. Die Autoren rekonstruieren Guerickes Magdeburger Halbkugeln mit zwei Weingläsern. 

Den Autoren ist eine kurzweilig geschriebene, zum Nachmachen anregende Darstellung der vielfältigen physikalischen Bezüge rund um das Thema Wein gelungen, der man nicht nur die Neigung zu gutem Wein und Geselligkeit, sondern vor allem die Freude an der Physik und am Experimentieren anmerkt.

Prof. Dr. Johannes Grebe-Ellis
Universität Wuppertal

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