24.02.2022

Filmkritik: Moonfall

Moonfall (2022), Regie: Roland Emmerich, USA, 120 Minuten: Verleih: Leonine (Filmstart 9. Februar)

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Nirgendwo sonst lassen sich die Naturgesetze so schön ignorieren, aushebeln, verbiegen oder verletzen wie im Kino. Ein Meister dieser Disziplin ist der Regisseur Roland Emmerich, der sich vor allem mit seinen Katastrophenfilmen einen festen Platz in Hollywood erobert hat. Dabei nimmt er besonders gern Verschwörungstheorien als Ausgangspunkt, jedoch mit einem Augenzwinkern und ohne an diese selbst zu glauben. Bei der krachend in Szene gesetzten außerirdischen Invasion in „Independence Day“ durfte ein ausgiebiger Schlenker zur Area 51 nicht fehlen, und die überbordende Apokalypse in „2012“ war durch die vermeintliche Maya-Prophezeiung des Weltuntergangs am 21.12.2012 motiviert.

Mit „Moonfall“ setzt Emmerich nun bei der Frage „Wer hat den Mond gebaut?“ an, die Thema eines Buches ist, das von zweifelhaften Autoren in einem eigentlich seriösen Verlag erschienen ist. Von der These ausgehend, dass der Mond eine von Außerirdischen errichtete „Megastruktur“ ist, stößt Emmerich in neue Bereiche vor, wenn es darum geht, Plausibilität und Naturgesetze zu ignorieren. Das hat durchaus Unterhaltungswert, hinterlässt diesmal aber einen etwas schalen Nachgeschmack.

Doch zunächst zu den Naturgesetzen: Bei Emmerich wirkt die Schwerkraft bei Bedarf auch mal auf Bäume anders als auf Menschen. Ein weißer Zwergstern befindet sich im Inneren des hohlen Mondes, der dafür eigentlich größer sein müsste als die Erde. Wie ansonsten alles Mögliche herum fliegt oder kollidiert, folgt eher den Möglichkeiten der Computeranimation und weniger einer physikalischen Logik. Das ist verständlich, schließlich handelt es sich nicht um einen Lehrfilm – aber irgendwann wird es doch beliebig. Warum man das ALMA-Teleskop benötigt, um das Herannahen des Mondes festzustellen, wenn es doch die überaus praktischen Laserreflektoren der Apollo-Missionen gibt, bleibt Emmerichs Geheimnis.

Die gigantische „gyroskopische Stabilisierung“ im Inneren des hohlen Mondes versprüht nicht einen Hauch von rätselhafter Faszination wie die Krell-Technologie in „Forbidden Planet“ (1956) oder das Sternentor in Kubricks „2001 – A Space Odyssey“ (1968). Die schwarmartige „emergente KI“ ist letztlich nicht mehr als ein aufgeblasener Wurm im hohlen „Mondapfel“. Besonders unglaubwürdig ist der jederzeit und überall ungestörte Handy-Empfang, der als „plot device“ mit beliebiger Akkulaufzeit die Protagonisten in ständiger Verbindung hält.

Beeindruckend ist die explosive Wirkung riesiger Mondbrocken, mit der Emmerich beispielsweise Berggipfel pulverisiert. Die Explosion klingt offensichtlich so schnell ab, dass sie weder Fensterscheiben zerstört noch Kerzen ausbläst, die sich ganz offensichtlich in der Explosionszone befinden müssen. So gewährleistet Emmerich die Sicherheit der Hauptfiguren – die Mitglieder zweier dysfunktionaler Familien, wie man sie so oft in Science-Fiction-Filmen sieht.

Letztlich dient die ausufernde, computeranimierte Action der Familienzusammenführung. Und hier liegt auch die größte Schwachstelle des Films: Die Weltrettung ist eine zutiefst individualistische Angelegenheit, für die der Tod von unzähligen Menschen billigend in Kauf genommen bzw. nicht weiter thematisiert wird. Mit plakativer Völkerverständigung wie bei „Independence Day“ oder Subtext, wie es der durchaus ernst gemeinte Bezug auf die Folgen des Klimawandels bei „The Day After Tomorrow“ darstellte, hält sich der Film nicht auf und erscheint damit billiger, als er es vermutlich war.

Es gibt im Film kein politisches System, keine gesellschaftlichen Strukturen, und die NASA kommt bestenfalls als Logo vor, auch wenn im Web von einer Mitwirkung des NASA-Chefwissenschaftlers Jim Green zu lesen war. Das lässt sich kaum glauben, wenn das Spaceshuttle im Film wie ein fahrtüchtiger Oldtimer aus dem Museum geschoben wird, um sofort startbereit auf der Rakete montiert zu sein – und im Weiteren unzerstörbar ist, selbst wenn es von einer gigantischen Flutwelle überrollt wird oder mit großen Mondbrocken kollidiert. Faiererweise muss man bemerken, dass solche gigantischen Flutwellen aufgrund der Gezeitenkräfte eines viel näheren Mondes möglich wären – ebenso wie das Zerbrechen des Mondes wenn er das Roche-Limit von rund 9500 Kilometer Distanz zur Erde erreicht.

Beruhigend: Über den offiziellen Twitter-Account zum Erde-Mond-System ließ die NASA verlauten, dass der Mond keinesfalls drohe, auf die Erde zu stürzen. Und vielleicht sollte man sich besser mit den spannenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fragen zum Mond befassen, als sich über die Ungereimtheiten und verpassten Chancen von „Moonfall“ zu ärgern. Der Film will vermutlich nicht mehr sein als launige Popcorn-Unterhaltung, ist aber nichts für physikalisch empfindliche oder cineastisch anspruchsvollere Gemüter.

Alexander Pawlak

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