23.01.2018

Das Universum und ich. Die Philo­sophie der Astrophysik

S. Anderl: Das Universum und ich. Die Philo­sophie der Astrophysik, Hanser, München 2017, 256 S., geb., 22 €, ISBN 9783446256637

S. Anderl

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Der Untertitel des Buchs, „Die Philosophie der Astrophysik“, macht mich neugierig. Sibylle Anderl, derzeit Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, möchte der Frage nachgehen, woher Astrophysiker eigentlich ihr Wissen über Planeten, Sterne, Galaxien oder Schwarze Löcher haben. Anderl hat in Astrophysik promoviert und kann einen Master in Philosophie vorweisen, eine ideale Kombination also, um sich philosophisch mit der Astrophysik zu befassen.

Wer eine populäre Einführung in die Themen der Astrophysik sucht, ist mit Anderls Buch eher schlecht beraten. Mehr richtet es sich an Leserinnen und Leser mit Vorkenntnissen, denen sie zunächst einen persönlich gefärbten Einblick in die moderne astrophysikalische Forschungspraxis bietet. Anderl zeigt dabei auf, wie stark diese mittlerweile datengetrieben ist und auf Modellen und Simulationen beruht. Leider enthält das Buch außer selbst gezeichneten Cartoons keine Abbildungen. Das Thema „Stoßwellen im interstellaren Medium“, mit dem sich Anderl im Rahmen ihrer Promotion beschäftigt hat, hätte sicherlich genug Material geboten, um noch nachvollziehbarer zu illustrieren, wie in der Astrophysik aus Beobachtungsdaten und Modellen schließlich Forschungsergebnisse werden.

Ausgangspunkt für die berechtigten Überlegungen zum Status der Astrophysik ist für Anderl das 1983 erschienene Buch „Representing and Intervening“ des britischen Philosophen Ian Hacking, das auf Deutsch unter dem Titel „Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften“ erschienen ist. Hackings Buch ist sicher ein wichtiger Beitrag zur modernen Wissenschaftsphilosophie, denn er thematisiert darin insbesondere die Rolle des Experiments in Bezug auf einen wissenschaftlichen Realismus. Verkürzt gesagt: In der Astrophysik lässt sich nicht mit den Objekten und Phänomenen experimentieren, also fehlt ihr etwas im Vergleich zur „richtigen“ Physik. Anderl will klären, woher wir dann überhaupt das Wissen über unser Universum haben. Eine spannende Frage, aber für mich bleibt sie die Antwort schuldig und kapriziert sich bis zum Schluss zu sehr darauf, dass Astrophysik irgendwie „besonders“ sei.

Anderl zieht zwar thematisch passende philosophische Arbeiten heran, aber die Wissenschaftsphilosophinnen und -philosophen kommen immer nur en passant zum Zuge. Welche philosophischen Diskurse sich daran ranken oder wie die jeweiligen Arbeiten dort zu verorten sind, bleibt oft genug vage. So könnte es durchaus instruktiv sein, Hackings realistische Position mit einer antirealistischen Auffassung zu kontrastieren. Auch eine allgemeine Hinführung zum Selbstverständnis und zu den verschiedenen Ansätzen der Wissenschaftsphilosophie wäre hilfreich gewesen. Dass sich die Astrophysik aus der rein beobachtenden Astronomie entwickelt hat, deren Ursprünge letztlich in Zeitmessung und Navigation liegen, sind Aspekte, die sie nicht thematisiert, die aber philosophisch durchaus von Belang sind. Analogien aus Kriminalistik oder Zoologie, die Anderl heranzieht, um astrophysikalische Forschung zu beschreiben, finde ich eher irritierend.

Insgesamt pendelt das Buch für mich zu unentschieden zwischen populärem Sachbuch, persönlichem Erfahrungsbericht und philosophischen Exkursen. Zudem streut Anderl Dialoge mit ihren Eltern ein, die zwar oft sehr launig sind, aber inhaltlich wenig beitragen. Doch auch wenn ein roter Faden fehlt, liest sich vieles passagenweise gut und regt durchaus zum Nachdenken darüber an, wie sicher wir uns bei unserem Wissen über das Universum sein können.

Alexander Pawlak

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